41 seien für sie – je nach Charakter der Schreibenden wurden wir als »meine Kinder« angesprochen oder als »fürsorgende Eltern« bezeichnet.3 Auch für diejenigen, die nicht nach Hamburg kommen konnten, standen wir als An- sprechpartner bereit. Gerade diese Personengruppe war hilfsbedürftig, da von Krankheit und Alter gezeichnet. Nicht selten erschien uns das Besuchsprogramm als widersinnig: Es sprach die noch gesunden und reisefähigen ehemaligen Zwangsarbeitenden an, während für die nicht mehr reisefähigen Hilfebedürftigen nichts vorge- sehen war. Dem manchmal geäußerten Wunsch, wir sollten das Geld, das die Reise nach Hamburg kosten würde, doch lieber direkt auszahlen, konnten wir nicht entsprechen. Nur mit Spendengeldern, die der Freundeskreis ein- geworben hatte, konnten kleinere Geldbeträge an die ehemaligen Zwangs- arbeiterinnen und Zwangsarbeiter geschickt werden – Unterstützung bei anstehenden Operationen oder eine dauerhafte Versorgung mit Medika- menten mussten wir jedoch ablehnen. Zeitweise war es eine große seelische Belastung für mich, mit Dutzenden von Schicksalen alter hilfsbedürftiger Menschen konfrontiert zu sein, ohne die Not lindern zu können. Im Folgenden dokumentiere ich eine ›Brieffreundschaft‹, die einen Ein- druck vermittelt in die umfangreiche Korrespondenz mit den ehemaligen Zwangsarbeitenden. Iwan Trifonowitsch Schuromski war einer von rund 500 ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus der Ukraine, zu denen wir im Jahr 2001 Kontakt aufnahmen. Im September 2002 folgte er der Ein- ladung nach Hamburg. Iwan Trifonowitsch Schuromski wurde am 17. De- 3 Die Briefe werden im Archiv KZ-Gedenkstätte Neuengamme verwahrt, Bestand HH 3.5.7.1.1. Dort finden sich auch die im Folgenden zitierten Briefe Schuromskis. Iwan Trifonowitsch Schuromski, Hamburg 1944. Privatbesitz Iwan Trifonowitsch Schuromski in Hamburg, Oktober 2002. Foto: Alexander Gnezdilov Archiv KZ-Gedenkstätte Neuen- gamme, HH 3.5.7.4.2