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Katalog Ausstellung Zwangsarbeiter

32 Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde der Freundeskreis vor neue Aufgaben gestellt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wandten sich Tau- sende von ehemaligen sowjetischen KZ-Häftlingen erstmals an deutsche Archive und Gedenkstätten mit der Bitte um eine Haftbescheinigung. Die meisten von ihnen hatten bis dahin kaum über ihre Zeit als KZ-Häftlinge gesprochen, da sie nach dem Krieg in der Sowjetunion als vermeintliche ›Kollaborateure‹ und ›Vaterlandsverräter‹ erneut verfolgt und diskriminiert worden waren. Erst die Perestroika hatte in der Sowjetunion ein gesell- schaftliches Klima geschaffen, in dem das Schicksal von Zwangsarbeiterin- nen und Zwangsarbeitern sowie KZ-Häftlingen offen thematisiert werden konnte. Auch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme erhielt Hunderte solcher Briefe. Viele der ehemaligen Häftlinge klagten über die schwierige materielle Situation, in der sie lebten. Sie äußerten auch den Wunsch, Neuengamme, den Ort ihres früheren Leidens, noch einmal wiedersehen zu wollen. Da die KZ-Gedenkstätte selbst keine Möglichkeiten hatte, den Überlebenden materiell zu helfen, wurde der Freundeskreis um Hilfe gebeten. Dieser hatte die Möglichkeit, Lebensmittelpakete und kleinere Geldsummen an die ehe- maligen Häftlinge zu schicken. Im Rahmen eines großangelegten Zeitzeu- genbefragungsprojektes besuchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte 1992 und 1993 erstmals ehemalige Häftlinge in der Ukra- ine und zeichneten ihre Erinnerungen auf. Zum 50. Jahrestag des Kriegsen- des im Jahr 1995 wurden diese Interviewpartner zu den Gedenkveranstal- tungen in Neuengamme eingeladen. Der Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme warb beim Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, beim katholischen Maximilian-Kolbe-Werk und über viele Spendenaufrufe die nötigen Mittel ein, um in enger Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neu- engamme 25 ehemaligen KZ-Häftlingen im Mai 1995 eine zehntägige Reise nach Hamburg zu ermöglichen. Im direkten Kontakt mit den damals etwa 70-jährigen ehemaligen Häft- lingen erfuhren wir vieles über deren Lebenssituation. Der Zusammenbruch der sowjetischen Gesellschaft hatte die alten Menschen ihrer materiellen und sozialen Sicherheit beraubt, sie waren verarmt und verunsichert. Dem- entsprechend äußerten sie ihre Wünsche: Arztbesuche, neue Brillen und Hörgeräte, Medikamente; Möglichkeiten zum Einkauf dringend benötig- ter, im Heimatland nur schwer erhältlicher Dinge; aber auch der Besuch ei- nes deutschen Bauernhofes, da viele der ehemaligen Häftlinge selbst in der Landwirtschaft tätig gewesen waren. Ganz wichtig aber war, so stellte sich schnell heraus, dass wir ehrlich interessiert waren an den Lebensgeschichten der ehemaligen Häftlinge, ihnen zuhörten und ihnen darüber die Anerken- nung ihres schweren Schicksals vermittelten. Dass wir ihre Erinnerungen in Videointerviews festhielten, bedeutete den ehemaligen Häftlingen sehr viel. In den folgenden Jahren luden wir weitere Gruppen ehemaliger Häft- linge des KZ Neuengamme ein. Wir waren besser auf die Wünsche unse- rer Gäste vorbereitet, die Vorbereitung wurde routinierter. Freiwillige der

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