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Katalog Ausstellung Zwangsarbeiter

19 Aber die Kriegführung an mehreren Fronten, insbesondere nach dem Überfall auf die Sowjetunion, war verbunden mit permanent steigenden Forderungen nach Soldaten. Dadurch wurde der Arbeitskräftemangel im- mer deutlicher und belastender für eine reibungslose Kriegsproduktion. Alle bis dahin getroffenen Maßnahmen, Arbeitskräfte schwerpunktmäßig in kriegswichtige Betriebe umzusetzen und Frauen stärker einzubinden, erwiesen sich in der Bilanz als ungenügend. Damit waren keine hinreichen- den Arbeitskraftreserven mehr zu mobilisieren. Mit der Besetzung vieler Länder Europas, die der Willkür und Repres- sion der deutschen Besatzer Tor und Tür öffnete, begann eine in diesem Ausmaß noch nie da gewesene Zwangsaktion, in deren Rahmen mehr als 10 Millionen ausländische zivile Arbeitskräfte und Kriegsgefangene zur Arbeit ins Deutsche Reich transportiert wurden. Eingesetzte Militär- und Zivilver- waltungen richteten in kurzer Zeit ›Aushebungsstellen‹ nach dem Muster deutscher Arbeitsämter ein. Die Deutschen führten darüber hinaus einen Krieg, in dem sie die Menschen in den besetzten Ländern ihrer rassisti- schen Ideologie gemäß klassifizierten. Feind war nicht gleich Feind, Auslän- der nicht gleich Ausländer. Im Gegensatz zu Arbeitskräften aus Nord- und Westeuropa wurden Polinnen und Polen und später die sogenannten Ostar- beiterinnen und Ostarbeiter aus den Ländern der Sowjetunion als ›rassisch minderwertig‹ eingestuft. Aufgrund des Kriegsverlaufs mussten sie als Ar- beitskräfte ›hingenommen‹ werden, aber repressive Gesetze und schikanöse Behandlungsvorschriften deklassierten sie zu rechtlosen Menschen, die, jeglicher Freiheiten beraubt, zu reinen Ausbeutungsobjekten wurden. Ein nach nationaler Zugehörigkeit differenziertes Rechtssystem und eine rassistisch konnotierte ethnische Hierarchisierung unter den ausländi- schen Arbeitskräften hatten darüber hinaus den Sinn, für eine Entsolidari- sierung unter den verschiedenen Nationalitäten zu sorgen. Die Versorgung von Bevölkerung und Truppe, die Rüstungsproduktion und das Aufrecht- erhalten der Infrastruktur im Reich sollten durch keinerlei widerständige Aktionen gestört werden. Zur Erreichung dieses Zieles waren alle Mittel recht: Isolierung, drakonische Strafen aller Art, vom Einbehalten des Loh- nes, Streichung von Essensrationen, Unterbringung in Straflagern bis hin zur Todesstrafe. Auch die deutschen Beschäftigten hatten mit harten Strafen zu rechnen, wollten sie zu den Zwangsarbeitenden einen unterstützenden Kontakt auf- bauen. Ihnen wurde jederzeit vor Augen geführt, dass sie im Vergleich zu ausländischen Zwangsarbeitskräften und Kriegsgefangenen als Deutsche aus Sicht des Regimes eine höherwertige Stellung einnahmen und deshalb auf den notwendigen Abstand zu achten hatten. Fraternisierung musste in jedem Fall verhindert werden. Geheimreden 1933 – 1945, hg. v. Bradly F. Smith und Agnes F. Peterson, Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1974, S. 134; Äußerung Syrups hier zit. nach Ulrich Herbert: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin, Bonn 1985, S. 55.

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