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Katalog Ausstellung Zwangsarbeiter

29 sie Trümmer räumen, Leichen bergen und Brände löschen. Um mögliche ›Ausschreitungen‹ der Ausländerinnen und Ausländer zu verhindern, hatte Hamburgs Höherer SS- und Polizeiführer, Georg-Henning von Bassewitz- Behr, den ›rechtzeitigen‹ Gebrauch von Schusswaffen angeordnet. Während dieser von Chaos geprägten Zeit wurden zahllose Zwangsarbeitskräfte ohne eingehende Überprüfung einer möglichen Tat standrechtlich exekutiert. Für die einzelnen Zwangsarbeitenden, die zuvor in ihren Lagern sepa- riert und so an jeglichem Kontakt zu anderen Ausländerinnen und Auslän- dern sowie Deutschen gehindert worden waren, erwies es sich als absolut vordringlich, in dieser unübersichtlichen Lage das eigene Überleben zu sichern. Aus diesem Grund stellten für sie gestohlene Güter des täglichen Bedarfs wie ein Apfel, eine Konservendose oder ein Hemd keinen beson- ders schweren Diebstahl dar. Tausch- und Schwarzhandel waren für sie ein Mittel, ihre nackte Existenz zu sichern. Polinnen und Polen, Ostarbeiterin- nen und Ostarbeiter waren darüber hinaus deutlich schlechter versorgt als die sogenannten Westarbeiterinnen und Westarbeiter. Häufig nahmen sie deshalb Materialien von ihrem Arbeitsplatz mit, aus denen sie Gegenstände nähten oder bastelten, um sie dann in Lebensmittel umzutauschen. Weil eine wirksame staatliche Kontrolle aber nicht mehr möglich war, wurde auf diese Delikte mit schwersten Strafen bis hin zur Todesstrafe reagiert. Auch vermutete Sabotage war Grund für schwere Bestrafungen. Wer wollte klären, ob die Ursache eines nicht korrekt ausgeführten Handgriffs in feh- lendem Sachwissen und fehlender Anleitung begründet war oder ob eine bewusste Widerstandsaktion zugrunde lag? Wer konnte entscheiden, ob ein schlecht ernährter, möglicherweise kranker Zwangsarbeiter absicht- lich langsam arbeitete oder ob er erschöpft und kraftlos war? Diese Fragen sollten auch gar nicht geklärt werden, denn Strafe hatte nur den Sinn der Abschreckung. Sie sollte disziplinieren, Angst auslösen und zur Anpassung zwingen. Je näher das Kriegsende rückte, desto mehr beschäftigte die Verantwortli- chen in der Hamburger NS-Führung, Betriebsleiter und Abwehrbeauftragte, wie Ordnung und Disziplin unter den Zwangsarbeitenden aufrechterhalten werden konnten. Dies umso mehr, als Leistungsunwilligkeit und allgemeine Unruhe unter den ausländischen Arbeitskräften gemeldet wurden. Als im Verlauf des letzten Kriegsjahres etliche Betriebe aufgrund von Zerstörung oder Energie- und Materialmangels nicht mehr produzieren konnten, machten sich deswegen auch die Hamburger Wirtschaftsvertreter in der Kammer Gedanken, wie Ausländerinnen und Ausländer, die nicht mehr gebraucht würden, abgeschoben werden könnten. Man fürchtete, die in etwa 4000 Betrieben arbeitenden 76 000 Zwangsarbeitenden in Ham- burg könnten zu einer ernsten Bedrohung für die deutsche Bevölkerung werden.19 Allerdings konnten bis zur Kapitulation nur rund 15 000 Aus- 19 Bericht über eine Sitzung beim Polizeipräsidenten am 2.11.1944, Staatsarchiv Hamburg, B & V 342, Bd. 4.

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