Jahresbericht 2022 - Institut für Hygiene und Umwelt

GRUSSWORT Liebe Leserinnen und Leser, die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie eng die Gesundheit von Mensch und Tier und der Zustand unserer Umwelt miteinander verflochten sind. Und sie hat uns auch drastisch vor Augen geführt, wie die Dynamiken von Klimawandel, Globalisierung und Verlust natürlicher Lebensräume ineinandergreifen und Krisen von ungekannter Größenordnung produzieren können. Das Institut für Hygiene und Umwelt hat mit großem Einsatz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutende und innovative Beiträge für die Bewältigung der Pandemie geleistet, unter anderem für eine bessere Einschätzung der Infektionslage durch die Untersuchung des Abwassers auf Coronaviren. Die Zeiten bleiben krisenhaft, auch in Zukunft werden wir uns neuen Risiken und neuen Herausforderun- gen gegenübersehen. Das HU als Hamburger Landeslabor für Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltuntersuchungen ist ein starker und verlässlicher Partner an der Seite der Stadt, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Es verfolgt dabei auch interdisziplinäre Lösungen nach dem „One-He- alth-Ansatz“, der der wechselseitigen Abhängigkeit von Umwelt, Tier und Mensch Rechnung trägt. Von der Untersuchung der Qualität von Luft und Wasser über die Überwachung von Lebensmitteln – beim Import über unseren Hafen ebenso wie in hiesigen Lebensmittelbetrieben – bis zum Monitoring des Gesundheitszustands von Wildtieren: Im vorliegenden Jahresbericht spiegelt sich das breite und umfassende Arbeitsspektrum des HU. Er dokumentiert damit auch die vielfältigen Kompetenzen, die im Institut zusammenwirken, um die wichtigen Leistungen für den Gesundheits-, Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz in Hamburg zu erbringen. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für ihre kompetente und verlässliche Ar- beit im Dienste unserer Stadt und ihrer Menschen. Ich wünsche Ihnen eine interessante und informative Lektüre. Jens Kerstan Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft

VO RWO RT „Die wahren Optimisten sind nicht überzeugt, dass alles gutgehen wird. Aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schiefgehen wird.“ (Friedrich Schiller) Liebe Leserinnen und Leser, haben wir in 2021 noch gehofft, dass die Impfstoffe gegen die Corona-Pandemie uns zu „normaleren“ Zeiten zurückkommen lassen, mussten wir im vergangenen Jahr feststellen, dass weitere Ereignisse, wie ein lange nicht für möglich gehaltener brutaler Angriffskrieg in Europa, weitere Krisen ausgelöst hat. Für das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) ergaben sich als Folge auch neue Herausforderungen – als Teil der kritischen Infrastruktur müssen wir unter anderem den Betrieb jederzeit aufrechterhalten können und auch die für ein Laborbetrieb besonders relevante Kostensteigerungen für Energie und auch Verbrauchsmaterial bewältigen. Selbst einfache Pipettenspitzen kosten mittlerweile das Fünffache von dem was noch in 2020 aufgerufen wurde. Auch die große Herausforderung unserer Zeit, der Klimawandel, schreitet weiter unübersehbar voran. Hitzeperioden, Stürme und Überschwemmung nehmen immer größere Ausmaße an. Vergesellschaftet mit der Globalisierung treten neue Krankheiten auf. Ernteausfälle und gestörte Lieferwege werden in der Nahrungsmittelindustrie die Gefahr von Lebensmittelbetrug erhöhen und die Überwachung der Umwelt, zum Beispiel durch Messnetze wie das Wassergütemessnetz (WGMN), werden immer wichtiger, wie trau- rigerweise das Fischsterben an anderer Stelle im vergangenen Jahr gezeigt hat. In Hamburg ist der sogenannte „One-Health-Ansatz“ beim HU als Landeslabor umgesetzt. Dieser stellt sicher, dass der gesundheitliche Verbraucherschutz „vom Acker auf den Teller“ oder anders gesagt „von der Umwelt über das Lebensmittel bis zum Menschen“ in einer Untersuchungseinrichtung zusammen- geführt ist. Die Vorteile zeigen sich nicht nur im Zusammenhang mit Effizienzgewinnen, sondern ermög- lichen einen ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung von Krisen. Ein aktuelles Beispiel dazu ist ein Projekt zum Monitoring von Corona-Viren im Hamburger Abwasser, bei dem die Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen Infektionsmedizin und Umweltuntersuchungen eng zusammenarbeiten. Wir sind froh, dass das HU für alle Hamburgerinnen und Hamburger auch in herausfordernden Zei- ten einen wichtigen Beitrag für den Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz leisten konnte. Einige interessante Beispiele aus unserem Arbeitsalltag möchten wir Ihnen in diesem Jahresbericht vor- stellen. Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre. Ihr Dr. Ansgar Ferner Geschäftsführer Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 3

I N H A LT Porträt / Geschäftsführung 2 3 6 8 9 Grusswort Vorwort Aufbau und Aufgaben des Hamburger Landeslabors Dunbars interdisziplinäres Denken beflügelte Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz 50. Deutscher Lebensmittelchemikertag in Hamburg Übergreifende Themen 10 12 Hochmodernes Labor für Sequenzierungen (NGS) am Institut für Hygiene und Umwelt etabliert Nachweis von SARS-CoV-2 im Hamburger Abwasser Verbraucherschutz / Tiergesundheit 14 16 18 20 22 24 26 Krankheitserreger in Lebensmittelbetrieben – Behörden bleiben wachsam Höchstwerte für Pyrrolizidinalkaloide eingeführt Zinn in sauren Konserven, Cadmium in Muscheln und Kalmaren Finnland beauftragt Hamburger Landeslabor mit Untersuchungen Wein-Untersuchungen in Hamburg schützen den gesamten EU-Markt vor verfälschten Produkten Hamburg übernimmt Kosten für Untersuchungen auf Amerikanische Faulbrut Hamburger Landeslabor erfasst Gesundheits- zustand von Wildtieren 4 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

I N H A LT Medizin 28 30 33 34 Umwelt 36 38 40 42 Konzept für Großschadenslagen in Häfen entwickelt Die Pandemie wird fast Routine Der kluge Urlauber sorgt vor – und lässt sich rechtzeitig impfen Eindämmung der Affenpocken in Hamburg Untersuchung der Hamburger Badegewässer Regen schwemmt Schadstoffe in Hamburgs Flüsse Neuartige PFAS ersetzen verbotene Substanzen Einfluss der Osterfeuer auf Feinstaub in Hamburg HU in Zahlen 44 45 46 47 Beschäftigte (Stichtag 31.12.2022) Ausbildungszahlen im Jahr 2022 Probenzahlen und Untersuchungsparameter Weitere Leistungen Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 5

P O RT R ÄT / G E S C H Ä F TS F Ü H R U N G © Institut für Hygiene und Umwelt Das Institut für Hygiene und Umwelt Aufbau und Aufgaben des Hamburger Landeslabors Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) ist das Landeslabor der Freien und Hansestadt Hamburg. Seine Aufgaben sind vor allem die amtliche Untersuchung und Begutachtung von Lebens- und Futter- mitteln, Städte- und Krankenhaushygiene, human- und veterinärmedizinische Diagnostik sowie Um- weltanalytik und Umweltüberwachung. Das HU ist ein Landesbetrieb der Behörde für Um- welt, Klima, Energie und Agrarwissenschaften. Es besteht aus den drei Fachbereichen Lebensmittel- sicherheit und Zoonosen, Infektionsmedizin und Hygiene sowie Umweltuntersuchungen. Unter- stützt werden diese durch die Abteilung Service und Steuerung und verschiedene Stabsstellen. Das Institut arbeitet im Auftrag der Politik, ande- rer Dienststellen und privater Kundschaft. Amtli- che und teils hoheitliche Aufgaben stellen das prä- gende Arbeitsfeld dar. Die Fachaufsichten aus den Behörden für den Verbraucher-, Gesundheits- und Fachbereich Lebensmittelsicherheit und Zoonosen Umweltschutz sind im Verwaltungsrat des HU ver- treten und an wichtigen Entscheidungen beteiligt. Die rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen analysie- ren pro Jahr mehr als 250.000 Proben und führen etwa eine Millionen Untersuchungen oder andere Dienstleistungen durch. Darüber hinaus tritt das HU als Sachverständige vor Gericht auf und bringt seine Fachkompetenz in Fachgremien und Koope- rationen ein. Zudem betreibt das HU umfangreiche Aus-, Weiterbildungs- und Lehrtätigkeiten. Der Fachbereich befasst sich mit der Untersuchung und rechtlichen Begutachtung von Lebens- und Futtermitteln, Bedarfsgegenständen, Kosmetika und Tabakerzeugnissen. Das Untersuchungsspek- trum umfasst Parameter zur Qualität und zur Si- cherheit, außerdem wird zum Schutz vor Täuschung die Kennzeichnung geprüft. Eng verbunden mit der Untersuchung und rechtlichen Beurteilung ist das Verfassen von Stellungnahmen für die Bezirke oder die Staatsanwaltschaft sowie zu Rechtssetzungs- verfahren gegenüber der Behörde und dem Bund. Eine Arbeitsgruppe führt mikrobiologische und pa- thologische Diagnostik zu veterinär-medizinischen Fragestellungen durch, um beispielsweise Erkran- kungen durch Zoonosen aufzudecken oder Todes- ursachen verendeter Tiere nachzuweisen. Das HU erbringt Leistungen sowohl im amtlichen Auftrag als auch für Tierarztpraxen und andere Personen und Institutionen. Außerdem stellt das HU Hamburger Firmen Zerti- fikate für nichttierische Lebensmittel, Kosmetik, Wasch- und Reinigungsmittel, Tabakerzeugnisse und Lebensmittelbedarfsgegenstände aus. Die- se Zertifikate oder amtlichen Bestätigungen von Sachverständigengutachten werden für den Ex- port in einige Drittländer benötigt. Fachbereich Hygiene und Infektionsmedizin Aufgabenschwerpunkte des medizinischen Fachbe- reichs sind die epidemiologisch-mikrobiologische Aufklärung über das Auftreten, die Häufigkeit und die Virulenz von Infektionserregern in Hamburg so- wie die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Infektionsprävention. Zur Identifikation und Prävention von Risiken durch übertragbare Erreger werden Laboruntersuchun- gen für Einrichtungen des öffentlichen und priva- ten Gesundheits- und Sozialwesens durchgeführt. Weiterhin führen Hygienefachleute Beratungen für öffentliche und private Auftraggeber durch und 6 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

P O RT R ÄT / G E S C H Ä F TS F Ü H R U N G bieten viele Fort- und Weiterbildungen für medizi- nische Einrichtungen an. Zum Fachbereich gehört das Infektionsepidemio- logische Landeszentrum, das für Hamburg die mel- depflichtigen Infektionskrankheiten zentral erfasst und an das Robert Koch-Institut weiterleitet. Im Hamburg Port Health Center (HPHC) sind der Hafen- und Flughafenärztliche Dienst (HÄD) sowie das Hamburger Zentrum für Impfmedizin angesie- delt. Der HÄD hat hoheitliche Aufgaben im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsschutzes. Das Zent- rum für Impfmedizin führt alle öffentlich empfohle- nen Impfungen durch und bietet reisemedizinische Sprechstunden an. Darüber hinaus wirkt es an öf- fentlichen Impfprogrammen mit. Amtliche Überwachungsfunktionen übernimmt der Fachbereich vor allem bei der Rattenbekämpfung auf öffentlichem Grund, der Begasungsaufsicht im Hafen und bei der Unterstützung der Bezirke bei der Krankenhaus-, Heim- und Praxenaufsicht. Fachbereich Umweltuntersuchungen Der Fachbereich ist das zentrale Labor für Um- weltuntersuchungen der Hamburger Behörden. Er überwacht die Beschaffenheit der Hamburger Oberflächengewässer. Auch Schwimmbäder, Trink-, Grund- und Abwasser werden untersucht. Die Be- lastung der Luft und des Bodens im Stadtgebiet werden erhoben und bewertet sowie Abfallunter- suchungen durchgeführt. Darüber hinaus betreibt der Fachbereich ein Gentechnik-Überwachungs- labor sowie die Radioaktivitätsmessstelle für die Überwachung von Umwelt- und Lebensmittelpro- ben. Die Erhebung der Daten erfolgt vielfach im Rahmen von Berichtspflichten an die EU. Der Umweltbereich betreibt neben Laboratorien auch automatisierte Messnetze: Das Wassergüte- messnetz (WGMN), das Hamburger Luftmessnetz (HaLm) und das Radioaktivitätsmessnetz. Alle Messnetze tragen dazu bei, Gefahren frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen rechtzeitig einleiten zu können. Der Bereich benennt außerdem kompetente Labo- ratorien für rechtlich geregelte Untersuchungen, berät andere Stellen der Verwaltung bei Vergaben und organisiert bundesweit Ringversuche nach in- ternationalen Normen und Richtlinien. Interne und fachübergreifende Dienstleistungen Die Abteilung Service und Steuerung unterstützt die Geschäftsführung bei der Institutsführung. Sie umfasst die Schwerpunkte Personal- und Organi- sationsmanagement, Finanzen, Betriebswirtschaft und Controlling sowie IT und Facility Management. Die Stabsstelle Zentrale Aufgaben ist zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die interne Kommunikation, das Qualitätsmanagement und das Management verschiedener Projekte. Zentrale Aufgaben Geschäftsführung Lebensmittelsicherheit und Zoonosen Hygiene und Infektionsmedizin Umwelt- untersuchungen Service und Steuerung Lebensmittel I Hygiene Labor für Umweltuntersuchungen Lebensmittel II, Rückstandsanalytik, Kosmetika Hamburg Port Health Center Wasser-, Boden- und Abfalluntersuchungen, Gentechnik Lebensmittel III, Futtermittel, Tiergesundheit Medizinische Mikrobiologie Luftuntersuchungen, Radioaktivität Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 7

P O RT R ÄT / G E S C H Ä F TS F Ü H R U N G © Institut für Hygiene und Umwelt 100. Todestag von William Philipps Dunbar Dunbars interdisziplinäres Denken beflügelte Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz (Text veröffentlicht am 19.03.2022 als Pressemeldung - gekürzt) Vor 100 Jahren, am 19. März 1922, starb William Philipps Dunbar, der erste Direktor des Instituts für Hygiene und Umwelt. Er leitete das Institut von der Gründung 1892 bis zu seinem Tod 1922. In diesen 30 Jahren legte er den Grundstein für das größte hygienische Institut der damaligen Zeit in Deutsch- land. Seine Verdienste kamen nicht nur der Stadt Hamburg zugute, sondern beeinflussten die Entwick- lung des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes nachhaltig. Dr. William Phillips Dunbar kam im September 1892 nach Hamburg, um mit seinem Mentor Prof. Dr. Georg Gaffky, einem Schüler Robert Kochs, den letzten großen Cholera-Ausbruch in Europa aufzuklären. Im Auftrag des Hamburger Senats untersuchten Gaffky und Dunbar Material, das von Ärzten und Krankenhäusern angeliefert wurde. Gleichzeitig nahmen sie Trink-, Elb- und Abwasser genau unter die Lupe und empfahlen zielgerichte- te Maßnahmen, die eine weitere Ausbreitung der Cholera verhinderten. Dank der schnellen Erfolge ihrer Arbeit wurde ihr provisorisches Labor am 28. Dezember 1892 per Senatsbeschluss in ein staatli- ches Institut umgewandelt und Dunbar zum ersten Direktor des neuen Instituts berufen. Das damalige „Hygienische Institut“ wuchs schnell. Schon bald wurden hier auch Lebensmittel und Ge- brauchsgegenständen kontrolliert, wodurch sich die Qualität der Hamburger Lebensmittel schnell verbesserte. Das Institut überprüfte die hygieni- schen Bedingungen in den Armenvierteln, hatte die fachliche Aufsicht über die städtischen Desin- fektionseinrichtungen und bearbeitete schul- und gewerbehygienische Fragen. Dunbar baute ein Pestlabor zur Untersuchung von Rattenkadavern auf und richtete Außenstellen zur Untersuchung von Lebensmittelimporten direkt im Hafen ein. Von Anfang an verband er die Themen Gesundheit, Umwelt und Lebensmittelsicherheit sowohl in der Forschung als auch in der Überwachung. Er legte dabei auch Grundlagen, die Jahrzehnte lang, zum Beispiel in der Abwasserwirtschaft, den Stand der Technik widerspiegelten. Noch heute be- findet sich die Expertise dieser wissenschaftlichen Themenbereiche unter dem Dach des Instituts ge- bündelt. 8 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

P O RT R ÄT / G E S C H Ä F TS F Ü H R U N G t l e w m U d n u e n e i g y H r ü f t u t i t s n I © Rückblick 50. Deutscher Lebensmittelchemikertag in Hamburg (Text veröffentlicht am 17.10.2022 als Online-Meldung) Vom 19. bis 21. September 2022 fand der 50. Deutsche Lebensmittelchemikertag in Hamburg statt. In diesem Rahmen wurde auch das 75-jährige Bestehen der Lebensmittelchemischen Gesellschaft (LChG) gefeiert. Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) war bei dieser renommierten Fachveranstaltung mit Vorträgen und Postern vertreten. Über 600 Lebensmittelchemikerinnen und -chemi- ker sowie korrespondierende Berufsgruppen waren in die Universität Hamburg gekommen, um sich mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland auszutauschen und sich über Entwicklungen und Trends in der Branche zu informieren. Neben den Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen der LChG wurden den Teilnehmenden viele spannende The- men in Fachvorträgen und auf wissenschaftlichen Postern präsentiert. Beteiligung des Instituts für Hygiene und Umwelt Der Geschäftsführer des HU, Dr. Ansgar Ferner, war als LChG-Vorstandsmitglied und Angehöriger des Ortskomitees unmittelbar an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt und Teil des vierköpfigen Moderationsteams bei einem der Höhepunkte der Veranstaltung, dem Festvortrag „75 Jahre Lebensmittelchemische Gesellschaft“. Der stellvertretende Geschäftsführer Jochen Rieh- le hat außerdem in einem Impulsvortrag erläutert, welchen Herausforderungen die staatlichen Unter- suchungslabore im Jahr 2022 gegenüberstehen. Ei- nen relativ neuen Ansatz in der amtlichen Lebens- mittelüberwachung – die Authentizitätsprüfung mittels Nuclear Magnetic Resonance-Spektrosko- pie (NMR) – hat Marco Last, Leiter des entspre- chenden Referats am HU, in einem Fachvortrag präsentiert. Über die Überwachung von Import- Lebensmitteln in Hamburg und begleitende Labor- untersuchungen konnten sich die Teilnehmenden anhand von drei Postern des HU informieren. Umbenennung in "Deutsche Lebensmittelchemietage" Eine wichtige Änderung haben die LChG-Mitglieder bei ihrer Versammlung in Hamburg beschlossen: Statt "Deutscher Lebensmittelchemikertag" soll es zukünftig "Deutsche Lebensmittelchemietage" heißen. Man möchte damit der gelebten Diversität gerecht werden und im Sinne der Interdisziplinari- tät weitere Berufsgruppen einbinden. Zudem wird über den aktualisierten Namen deutlicher, dass es sich um eine mehrtägige Veranstaltung handelt. Die Änderung wird ab der 51. Veranstaltung (21.08. - 23.08.2023, Bonn) umgesetzt. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 9

Ü B E R G R E I F E N D E T H E M E N Aufbauphase abgeschlossen Hochmodernes Labor für Sequenzierungen (NGS) am Institut für Hygiene und Umwelt etabliert (Text veröffentlicht am 28.06.2022 als Pressemeldung) Seit Beginn der Corona-Pandemie hat das Hamburger Landeslabor das Next Generation Sequencing (NGS) eingeführt und bereits erfolgreich genutzt. Nun ist die Aufbauphase abgeschlossen. Zukünftig werden hier verlässlich Gesamtgenom-Sequenzierungen im Hochdurchsatz durchgeführt – sowohl für behördliche als auch externe Auftraggeber. Hamburg verfügt somit über eine qualifizierte staatliche Einrichtung, um beispielsweise Genome von Krankheitserregern wie SARS-CoV-2 auf Mutationen zu untersuchen. Dr. Ansgar Ferner, Geschäftsführer des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU): „Mit der Einrichtung eines NGS-Labors als innovative Technologieplatt- form hat das Hamburger Landeslabor einen wichti- gen Schritt Richtung Zukunft gemacht. Diese mo- dernen Erbgutanalysen ermöglichen schnelle und verlässliche Aussagen bei Fragen zur Sicherheit und Authentifizierung von Lebensmitteln, bei der Nachverfolgung von Infektionsketten und bei der Untersuchung von unspezifischen Umweltproben.“ Krankheitserreger identifizieren – Infektionsketten durchbrechen Bereits während der Aufbauphase des Labors hat Hamburg von der neuen Technologie profitiert: Das Institut konnte die Gesundheitsbehörden durch Aufklärung von Infektionsketten bei der Eindäm- mung der Corona-Pandemie unterstützen. Auch einzelne Typisierungen von lebensmittelübertra- genen Krankheitserregern wurden vorgenommen, beispielsweise für Untersuchungen zu einem bun- desweiten Salmonellen-Ausbruch im Jahr 2020. Schäfers C, Lehmacher A, Overhoff J, Busch P, Reichstein A, (2022) Lebensmittelchemie 76: 81-85, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/ epdf/10.1002/lemi.202200304 Nationale Vernetzung zwecks Datenbankaufbau Das Institut für Hygiene und Umwelt steht dabei im Austausch mit Institutionen des Bundes, wo- durch Hamburg eine Vorreiterrolle im Bereich der Digitalisierung und Verarbeitung von großen Da- tenmengen („Big Data“) einnimmt. NGS-Daten von Lebensmittel werden an das Bundesamt für Ver- braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie an das Nationale Referenzlabor (NRL) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) über- mittelt. Humane Proben sowie deren NGS-Daten werden an das Robert Koch-Institut (RKI) mit dem Nationalen Referenzzentrum (NRZ) übermittelt. Sequenzierung inklusive Bioinformatik Das Portfolio des NGS-Labors umfasst neben den mikro- und molekularbiologischen Arbeiten im Zuge der Probenvorbereitung und Sequenzierung auch die korrespondierende Bioinformatik. Die rechner- gestützte Erhebung und Auswertung der Daten erfolgt hierbei unter akademischer Leitung nach hohen wissenschaftlichen Standards. Dies qualifi- ziert das HU für eine Beteiligung an Forschungs- projekten, um den Wissenstransfer zwischen öf- fentlichem Dienst und Universitäten zu fördern. Die Service-Leistungen des NGS-Labors stehen neben behördlichen Einrichtungen auch externen Auf- traggebern zur Verfügung. Informationen: https://www.hamburg.de/hu/ngs/ 10 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 © Institut für Hygiene und Umwelt

Ü B E R G R E I F E N D E T H E M E N © Institut für Hygiene und Umwelt Pilotprojekt zum Corona-Frühwarnsystem Nachweis von SARS-CoV-2 im Hamburger Abwasser In Deutschland erfolgt die Überwachung der Verbreitung von SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19, über die Meldung von Nachweisen aus medizinischen Proben. Ein Pilotprojekt der Bundesregierung prüft nun, ob ein ergänzendes Monitoring von SARS-CoV-2 im Abwasser hierzulande sinnvoll und um- setzbar ist. Die Freie und Hansestadt Hamburg beteiligt sich seit Frühjahr 2022 an diesem einjährigen Pilotprojekt, das an insgesamt 20 kommunalen Standorten durchgeführt wird. Mit SARS-CoV-2 infizierte Personen scheiden Gen- material des Virus über den Stuhl aus. Forschungs- gruppen konnten an verschiedenen Standorten zei- gen, dass in kommunalen Abwässern teilweise schon Tage vor Zunahme der übermittelten Inzidenzen ein Anstieg von SARS-CoV-2 Genomfragmenten messbar war. Die EU-Kommission hat angesichts dieser Forschungsergebnisse eine Empfehlung zur systematischen Überwachung auf SARS-CoV-2 und seiner Varianten in Abwässern ausgesprochen. Im Februar 2022 startete in Deutschland das Pilot- projekt „ESI-CorA – Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser“, das von der Euro- päischen Kommission gefördert und von den Bun- desministerien BMG, BMUV und BMBF koordiniert wird. In diesem Projekt soll geprüft werden, ob auf Grundlage von Abwasseruntersuchungen Aussa- gen oder sogar Vorhersagen für den Inzidenzver- lauf in der Bevölkerung getroffen werden können. Probenahme und Konzentrierung der Abwasserproben HAMBURG WASSER entnimmt an zwei Wochenta- gen unbehandelte 24-Stunden Mischproben an den Zuläufen der Kläranlage Köhlbrandhöft. Zusätzlich werden bestimmte Begleitparameter, zum Beispiel pH-Wert, Temperatur und Volumenstrom, durch HAMBURG WASSER ermittelt und an das HU wei- tergegeben. Im HU werden zunächst jeweils 40 ml Abwasser in mehreren Schritten von unerwünsch- ten Begleitstoffen getrennt. Im Anschluss werden die gesamten Nukleinsäuren aus dem Abwasser, darunter auch die Erbinformation des SARS-CoV-2 Virus, isoliert und durch ein Filtrationssäulen-Ver- fahren sukzessive aufkonzentriert. Das Resultat ist eine hoch aufgereinigte Probe, in der im Idealfall die SARS-CoV-2 Genomkopien 500-fach konzen- trierter als in der Ursprungsprobe vorliegen. Direkte Quantifizierung von SARS-CoV-2 über digitale PCR Nach der Aufreinigung erfolgt die Bestimmung der SARS-CoV-2 Konzentration durch direkte Quan- tifizierung von spezifischen Genabschnitten des Genoms durch digitale Polymerase-Kettenreak- tion (dPCR). Die dPCR ist eine hochsensitive und robuste Methode, die eine absolute Messung ein- 12 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

zelner RNA- beziehungsweise DNA-Moleküle un- abhängig von Standardmaterialien ermöglicht. Um Verdünnungsschwankungen von SARS-CoV-2 Konzentrationen im Abwasser, durch zum Beispiel Starkregenereignisse oder Industrieeinleitungen, auszugleichen, wird neben SARS-CoV-2 ein Surro- gatvirus – ein Virus, das von allen Menschen aus- geschieden wird – in jeder Abwasserprobe mit- quantifiziert. Dieses Virus dient als Bezugsgröße Ergebnisse der Abwasseruntersuchungen Seit Beginn der Messungen im Februar 2022 konn- te in jeder Probe SARS-CoV-2 Genmaterial nach- gewiesen werden. Die resultierenden Daten können genutzt werden, um analog zum Inzidenzverlauf einen Trend des Infektionsgeschehens abzubilden. Beginnend mit Juni 2022 stellt das RKI einen Trend- Vergleich für die Abwassermonitoring-Standorte Ausblick und Fazit Das Abwassermonitoring ist eine robuste Metho- de, die unabhängig vom Testverhalten der Bevölke- rung realistische Trendverläufe zeigt. Zum 01.10.2022 trat die dritte Änderung des In- fektionsschutzgesetzes in Kraft. Aufgrund der bundesweit vielversprechenden Ergebnisse wurden erstmalig Abwasseruntersuchungen als Indikator zur Beurteilung der Pandemielage zugelassen. Den Ländern bleibt die genauere Ausgestaltung der Un- tersuchungen zu den Ansteckungszahlen, ob über Inzidenzwerte oder/und über Abwasseruntersu- chungen und andere Messwerte wie Krankenhaus- überlastungen, überlassen. Ü B E R G R E I F E N D E T H E M E N und wird unter anderem zur Normierung der SARS- CoV-2 Konzentration im Abwasser benutzt. Die er- mittelten SARS-CoV-2 Konzentrationen werden innerhalb von 48 Stunden nach Probenentnahme gemeinsam mit Begleitparametern der Probe über die Meldesoftware ArcGIS an das Umweltbundes- amt (UBA) und das Robert Koch-Institut (RKI) ge- sendet. zur Verfügung. In diesem lassen sich die steigen- den und fallenden berechneten Viruskonzentratio- nen über die bundesweit verteilten Standorte gut verfolgen. Eine Zusammenfassung dieser Trend- analyse wird auf dem Pandemieradar des RKI dar- gestellt. Am Ende der Projektlaufzeit findet eine abschlie- ßende Bewertung der Ergebnisse im Rahmen des Projektes ESI-CorA statt. Schon jetzt hat sich das Potenzial der Abwasseruntersuchungen auf SARS- CoV-2 gezeigt und eine Ausweitung des abwasser- basierten Monitorings, beispielsweise durch die In- tegration weiterer Standorte, wird diskutiert. Die Projektlaufzeit von ESI-CorA endet Ende Januar. Ein neues Projekt des BMG zur Verstetigung des Pandemieradars bis 2024 ist in Planung. Hamburg wird sich zunächst für ein Anschlussprojekt bis Ende April und auch für das dann folgende Projekt AMELAG bewerben. BMG BMUV BMBF - Bundesministerium für Gesundheit - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz - Bundesministerium für Bildung und Forschung Interdisziplinäre Zusammenarbeit In Hamburg wird das Projekt ESI-CorA von der Umweltbehörde koordiniert und gemeinschaftlich mit der Gesundheitsbehörde, Hamburg Wasser und dem HU durchgeführt. An den Untersuchungen des Abwassers sind am HU zwei Bereiche beteiligt. Die Aufarbeitung der Proben wird im Bereich „Hygiene und Infektionsmedizin“ im Referat für Hygienisch-Mikrobiologische Laboruntersuchungen durchgeführt. Die direkte Quantifizierung von SARS-CoV-2 über digitale PCR erfolgt im Bereich „Umweltuntersuchungen“ im Referat „Gentechnik“. Alle erhobenen Daten werden zusammengetra- gen und über die Meldesoftware ArcGIS an RKI und UBA übermittelt sowie in Zusammenarbeit mit dem Epidemiologischen Landeszentrum auch der Sozialbehörde zur Verfügung gestellt. ESI-CorA wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des So- forthilfeinstruments (Emergency Support Instrument – ESI) gefördert (No 060701/2021/864650/SUB/ENV.C2) Weiterführende Informationen: • RKI - Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser • RKI - Pandemieradar • RKI - Wochenberichte zu COVID-19 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 13

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © Institut für Hygiene und Umwelt Kontrollen auf Listerien Krankheitserreger in Lebensmittelbetrieben – Behörden bleiben wachsam (Text veröffentlicht am 27.09.2022 als Pressemeldung) Für Lebensmittel mit Listerien-Risiko sind in der EU Eigenkontrollen der Hersteller vorgeschrieben, da Infektionen mit Listeria monocytogenes eine hohe Sterblichkeitsrate aufweisen. Bei Kontrollen der Hamburger Lebensmittelüberwachung wurden in den vergangenen Jahren bei fast 20 Prozent der Proben aus 152 untersuchten Betrieben Listerien nachgewiesen. Die Proben stammten aus Verarbei- tungsbereichen, von Ausrüstungen und Reinigungsutensilien. Verbreitung von Listerien Listerien kommen überall verbreitet vor: In der Erde, auf unbehandelten pflanzlichen und in tierischen Lebensmitteln. Sie sind sehr widerstandsfähig und vermehren sich auch bei Kühltemperaturen ab -0,4 °C, in Lebensmitteln mit zehn Prozent Kochsalz sowie in Vakuum- und Schutzgasverpackungen. So kommt es, dass beispielsweise aufgeschnittener Räucherlachs ein häufiger Träger von Listerien ist: Rechtliche Vorgaben und deren Kontrollen Zum Schutz vor lebensmittelbedingten Liste- rien-Infektionen schreibt die EU planmäßige Un- tersuchungen der Verarbeitungsbereiche und Ausrüstungsgegenstände durch Lebensmittel- unternehmer vor, die verzehrfertige Lebensmittel herstellen, welche ein Listerien-Risiko bergen. Zur Überprüfung dieser Eigenkontrollen haben Lebens- mittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrol- Bei regelmäßigen Untersuchungen von vakuumver- packtem Räucherlachs aus dem Hamburger Einzel- handel im Institut für Hygiene und Umwelt (HU) wurden von 2018 bis 2021 in 9 von 29 Proben am Ende des Verbrauchsdatums Listeria monocytoge- nes nachgewiesen. Nicht jede Belastung bedeutet dabei automatisch ein hohes Gesundheitsrisiko. leure in der Zeit von 2018 bis 2021 insgesamt 152 Hamburger Betriebe beprobt – in 30 Betrieben wurden bei Untersuchungen im HU Listerien nach- gewiesen. Bei Listerien-Funden werden umgehend die Quelle des Eintrags und mögliche Kontamina- tionswege aufgeklärt, strenge Hygienemaßnahmen umgesetzt und weitere regelmäßige Beprobungen durchgeführt. 14 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Typen und Fundorte der Krankheitserreger Von den 51 Listeria monocytogenes-Isolaten wur- den 24 aus Bodenabläufen gewonnen, neun von Arbeitsflächen, neun von Schneidebrettern und Hackklötzen, sechs aus Reinigungsutensilien und drei von Maschinenbauteilen. Restfeuchte und schwer zu reinigende Stellen ließen die Listerien Über die Listeriose Die Listeriose als Infektion durch das Bakterium Lis- teria monocytogenes tritt in verschiedenen Formen auf. Die Schwangerschafts-Listeriose kann sich als Fieber oder in grippeähnlichen Beschwerden äu- ßern. Eine Übertragung während der Schwanger- schaft oder bei der Geburt kann zur Fehl-, Früh-, Totgeburt oder zur Geburt eines erkrankten Kin- des (Neugeborenen-Listeriose) führen. Bei älteren oder abwehrgeschwächten Patienten lösen Liste- rien Blutstrominfektionen (Sepsis) und Entzündun- gen der Hirnhäute (Meningitis) oder des Gehirns (Enzephalitis) aus. Die Übertragung von Listerien hier überleben. Die Gruppe der Listeria monocyto- genes wird in 13 Serotypen unterschieden. Von die- sen lösen insbesondere drei Serotypen Infektionen beim Menschen aus. Bis auf die Isolate eines einzi- gen Betriebes zählten alle vom HU nachgewiesenen Listerien zu den drei krankmachenden Serotypen. erfolgt zumeist durch den Verzehr kontaminier- ter Lebensmittel. Die Lebensmittelinfektion tritt in Deutschland zwar selten auf, dann aber mit ho- her Sterblichkeitsrate von durchschnittlich sieben Prozent laut Angaben des Robert Koch-Instituts. 1 Die Listeriose gehört damit zu den meldepflichti- gen Erkrankungen mit der höchsten Letalität. In Hamburg gab es 2020 und 2021 insgesamt 21 Fäl- le der Infektion. Eine Verbindung zu den Hambur- ger Lebensmittelbetrieben konnte hier allerdings nicht hergestellt werden. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Listeriose.html ¹ Schutzmaßnahmen vor Listeriose Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich vor einer Lis- terien-Infektion zu schützen: Schwangere und ab- wehrschwache Menschen, wie etwa Kleinkinder und Senioren, sollten auf den Verzehr von rohem, ver- zehrfertigem Hackfleisch (Tatar, Thüringer Mett), Streichrohwurst (Mett- und Teewurst), rohem Fisch und Meerestiere (Sushi), kalt geräuchertem oder gebeiztem Fisch, Rohmilchkäse sowie Sauermilch- und Weichkäse mit Oberflächenschmiere verzich- ten. Listerien werden schon durch Pasteurisation oberhalb 70°C abgetötet. Fisch und Fleisch sollten daher durchgegart verzehrt und Rohmilch vor dem Konsum abgekocht werden. In der Küche sollten Reinigungsutensilien regelmäßig in der Spül- be- ziehungsweise Waschmaschine heiß gereinigt oder Einmaltücher verwendet werden. Weitere Informationen auf unserer Website zum Verbraucherschutz. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 15 © Adobe Stock/ lev dolgachov

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T t l e w m U d n u e n e i g y H r ü f t u t i t s n I © Importstandort Hamburg treibt Klärung voran Höchstwerte für Pyrrolizidinalkaloide eingeführt (Text veröffentlicht am 20.07.2022 als Online-Meldung) Seit Mitte 2022 gibt es eine neue gesetzliche Vorgabe, welche Menge an Pyrrolizidinalkaloiden in diversen pflanzlichen Lebensmitteln wie Tees und Gewürzen enthalten sein dürfen. Dieser Höchst- gehalt stellt die Lebensmittelüberwachung vor Herausforderungen. Insbesondere an den deutschen Eingangsorten wie Hamburg, wo die Rohwaren in sehr großen Mengen aus Drittländern ankommen, fehlt noch Klarheit zum Verfahren der Probenahme. Auch die Grundlagen der gesundheitlichen Bewer- tung sind noch nicht abschließend geklärt. Um sinnvolle Vorgaben zu definieren, haben Bund und Län- der mit dem Fachverband der Gewürzindustrie e. V. und dem Teeverband e. V. ein Projekt gestartet, bei dem das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) die Federführung übernommen hat und Hamburg unter den Ländern eine führende Rolle einnimmt. Giftige Unkräuter können Tees und Gewürze verunreinigen Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind eine große Gruppe von Naturstoffen, die teilweise in pflanzlichen Le- bensmitteln nachgewiesen werden. Dies ist prob- lematisch, da PA eine chronisch leberschädigende Wirkung haben und einige PAs im Verdacht stehen, das Erbgut zu schädigen und krebserregend zu sein. Zu den in Deutschland heimischen PA-bilden- den Pflanzen gehören zum Beispiel das gelb blü- hende Jakobskreuzkraut und andere „Unkräuter“, die manchmal zwischen Nutzpflanzen wachsen und die Ernte verunreinigen können. Bei Untersuchun- gen der Überwachungsbehörden fielen in der Ver- gangenheit insbesondere Tees und Gewürze wegen recht hoher PA-Gehalte auf. Auch in Honigen aus bestimmten Gebieten wurden erhöhte Gehalte die- ser Verbindungen gefunden. Vorgaben zu Höchstgehalt und Probenahme benötigt Seit dem 1. Juli 2022 gilt die Verordnung (EU) 2020/2040 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006. In dieser werden Höchstgehalte an Pyrrolizidinalkaloiden für Tees, Kräutertees, Nahrungsergänzungsmittel, Pollenprodukte und Kräuter festgelegt. Allerdings bedarf es auch Pro- benahmevorschriften, die die Besonderheiten von Gewürzen und große Sendungsvolumina berück- sichtigen. Denn über die deutschen Häfen werden sehr große Mengen Tee und Gewürze in die EU ein- geführt. Die Ware wird meist in Form von losen Blättern und Saaten in Containern beziehungswei- se großen Säcken verschifft, die weiter gehandelt werden und später als reines Gewürz, in Würzmi- 16 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T schungen oder in verarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichten in den Handel kommen. Für die Kontrolle stellt sich nun die Frage, wie eine Probe aus einem Container zu ziehen ist, damit anhand der Analyseergebnisse eine echte Aussage zur Ver- kehrsfähigkeit getroffen werden kann. Wie viele Proben sind zu ziehen? An welchen Stellen und auf welche Art ist die Probe zu entnehmen? Auch prak- tische Aspekte wie Transport und Aufbereitung der Proben müssen bei den Vorgaben für die Kon- trolleure und Kontrolleurinnen und Labore berück- sichtigt werden. Vergiftungsgefahr ist vom Konsumverhalten abhängig Bei der Beurteilung der Untersuchungsergebnisse sind neben der Frage, ob die neuen Höchstgehal- te eingehalten werden, weiterhin toxikologische Bewertungen erforderlich. Bei Letzteren wird be- rücksichtigt, wofür die Ware später eingesetzt wird beziehungsweise wie stark die Belastung für die Konsumenten später voraussichtlich sein wird. Wird die Ware einer exotischen Gewürzmischung beigemengt, die in Deutschland traditionell eher selten zum Einsatz kommt, ist das Risiko für die Konsumenten deutlich geringer, als wenn die Ware in Reinform verkauft und hierzulande häufig ver- wendet wird. Nicht immer ist zum Zeitpunkt der Einfuhr schon klar, zu welchem Zweck die Ware ver- wendet werden soll. Dieses erschwert die toxikolo- gische Bewertung von beanstandeten Sendungen. Bund und Länder suchen praktikable Lösungen Um für diese offenen Fragen sinnvolle und prak- tikable Lösungen zu finden, stehen die Überwa- chungsbehörden von Bund und Ländern in engem Austausch mit den Warenverbänden. Insbesondere die Hamburger Behörde für Justiz und Verbrau- cherschutz sowie das Institut für Hygiene und Um- welt als Hamburger Landeslabor bringen in diese Diskussion die Expertise der Importstandorte ein und treiben die Lösungssuche voran. Weiterführende Informationen: • EU-Verordnung 2020/2040 - Höchstgehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln • FAQ des BfR zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln Weitere Informationen auf unserer Website zum Verbraucherschutz. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 © pixabay.com 17

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © pixabay.com Kontrollen auf Schwermetalle Zinn in sauren Konserven, Cadmium in Muscheln und Kalmaren (Text veröffentlicht am 14.12.2022 als Pressemeldung) Im Auftrag des Amtes für Verbraucherschutz werden im Institut für Hygiene und Umwelt (HU) Lebens- mittel stichprobenartig und risiko-orientiert untersucht, unter anderem auf ihren Gehalt an Schwer- metallen. Im Jahr 2022 lag ein Fokus dabei auf Tomatenerzeugnissen und Obstkonserven, ein anderer auf Muschel- und Tintenfischkonserven. Und tatsächlich wurde das Institut fündig: In Muscheln und Tintenfischen überstieg der Cadmiumgehalt den gesetzlichen Höchstgehalt. Bei den Tomaten- und Obstkonserven war Zinn teilweise aus dem Dosenmaterial in das Lebensmittel übergegangen, aller- dings im Rahmen des Erlaubten. Konservendosen: Inhalt nach dem Öffnen umfüllen Bei sauren Lebensmitteln kann es vorkommen, dass sich aus dem Weißblech des Dosenmaterials Zinn herauslöst und in das Lebensmittel übergeht. Um dies zu verhindern, werden Konservendosen von innen mit einer dünnen Kunststoffschicht (bei- spielsweise Epoxidharz) lackiert. Liegt keine oder nur eine Teilbeschichtung vor, kann insbesondere in sauren Lebensmitteln ein höherer Zinngehalt als bei vollbeschichteten Dosen festgestellt werden. Da sich das Zinn nach dem Öffnen in Gegenwart von Luftsauerstoff schneller löst, ist teilweise auf teilbeschichteten oder unbeschichteten Konser- vendosen der Hinweis zu finden, dass der Inhalt nach dem Öffnen umzufüllen ist und das Lebens- mittel nicht in der geöffneten Dose gelagert wer- den soll. Untersuchung von Tomaten- und Obstkonserven In 2022 wurden im HU 22 Tomatenerzeugnisse (Tomatenmark, passierte Tomaten, gehackte To- maten, geschälte Tomaten) und 13 Obstkonserven auf die Schwermetalle Quecksilber, Cadmium, Blei und Zinn untersucht. Die Obstkonserven waren ausschließlich in Metalldosen verpackt; die Toma- tenerzeugnisse dagegen auch in Tuben, Tetrapaks und Gläsern. Die Gehalte an Quecksilber, Cadmium und Blei waren alle unauffällig. Auch der Zinnge- halt lag zwar bei allen Proben unter dem EU-weit vorgeschriebenen Höchstgehalt von 200 mg/kg in Lebensmittelkonserven. Bemerkenswert ist aber, dass der Zinngehalt entscheidend vom Verpa- ckungsmaterial beeinflusst wird. 18 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Zinngehalt von Verpackung abhängig Die Untersuchung der Tomatenerzeugnissen zeig- te, dass der Zinngehalt von in Tuben, Tetrapaks und Gläsern verpackten Produkten unterhalb der Bestimmungsgrenze von 0,025 mg/kg lag, bei voll- ständig lackierten Metallkonserven bei 0,15 bis 13 mg/kg und bei nur teillackierten Dosen bei 39 bis Muscheln und Tintenfische nehmen viele Schadstoffe auf Muscheln könnte man auch als die Leber des Mee- res bezeichnen, weil sie Schadstoffe aus dem Was- ser filtrieren und in ihrem Muskelfleisch anreichern. Tintenfische, zu denen Kalmare, Kraken und Sepien zählen, stehen am Ende der Nahrungskette und Untersuchung von Muschel- und Tintenfischkonserven 102 mg/kg. Von den 13 Obstkonserven waren 12 in nur teilbeschichteten Dosen (28 bis 157 mg/kg) und nur eine einzige (Mangoscheiben) in einer voll- beschichteten Dose (0,06 mg/kg) verpackt. reichern mit der Nahrung aufgenommene Schad- stoffe ebenfalls in ihrem Muskelfleisch an. Je älter beziehungsweise größer das Tier, desto höher ist dessen Belastung. Im August 2022 wurden im HU je sieben Proben von Muschel- und Tintenfischkonserven auf die Schwermetalle Quecksilber, Arsen, Cadmium und Blei untersucht. Die Gehalte der Umweltkontami- nanten Quecksilber, Arsen und Blei waren alle un- auffällig. Bemerkenswert dagegen war der sehr hohe Cadmiumgehalt von zwei Riesenkalmaren (7,8 und 12,8 mg/kg) sowie die nicht ganz so hohen Ge- halte von Kraken (2,3 mg/kg) und Pfahlmuscheln (1,5 mg/kg) in den Konservenerzeugnissen. Cadmiumgehalt zweier Kalmare gesundheitsschädlich Der Gesetzgeber hat einen EU-weiten Höchstge- halt für Cadmium von 1,0 mg/kg in Muscheln und Kopffüßern, wozu die Tintenfische zählen, festge- legt. Cadmium wirkt toxisch auf die Nieren, kann aber auch eine Demineralisierung der Knochen verursachen und ist von der Internationalen Agen- tur für Krebsforschung als krebserregend für den Menschen eingestuft worden. Deshalb muss bei einer Überschreitung des gesetzlichen Höchstge- halts zusätzlich unter Berücksichtigung der Ver- zehrsgewohnheiten für dieses Lebensmittel ge- prüft werden, ob der Verzehr dieses Produktes als gesundheitsschädlich einzustufen ist. Das war bei den zwei Riesenkalmaren, die beide vom selben Betrieb waren, der Fall. Die Lebensmittelüberwa- chung hat daraufhin eine Meldung über das euro- päische Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) erstellt. Die von der Schnell- warnung betroffene Ware wurde durch die Herstel- lerfirma zurückgerufen. Weitere Informationen auf unserer Website zum Verbraucherschutz. i k s w e n h c s i W n é r a M , k c o t S e b o d A © 19 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © pixabay.com Vernetzte Lebensmittelüberwachung Finnland beauftragt Hamburger Landeslabor mit Untersuchungen (Text veröffentlicht am 21.09.2022 als Online-Meldung) Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) ist eines von wenigen Laboren, die in Europa für amtliche Analysen auf Bestrahlung von Lebensmitteln zugelassen sind. Mittels der recht aufwendigen Thermo- lumineszenzmessung (TLD-Methode) kann das HU eine vorherige Bestrahlung verlässlich feststellen. Nicht nur die deutschen Überwachungsbehörden geben hier Analysen in Auftrag, auch der finnische Zoll lässt Einfuhrproben, die bei einem schnellen Vorab-Screening auffällig waren, durch das HU über- prüfen. Konservierung durch Strahlung oft unzulässig Gewürze, Kräuter und andere Waren, die anfäl- lig für Keimbelastungen sind, werden in den Her- kunftsländern manchmal mit ionisierender Strah- lung behandelt, um die Haltbarkeit zu verlängern oder potentielle Krankheitskeime schon vor dem Transport in die Bestimmungsländer abzutöten. Diese Behandlung ist in Deutschland und weiten Teilen der EU aber nur für getrocknete Kräuter und Gewürze zulässig (es gibt in manchen EU-Mitglieds- staaten Ausnahmen für weitere Lebensmittel). Be- strahlte Waren müssen anschließend grundsätzlich als solche gekennzeichnet werden. Bestrahlte Lebensmittel geben Licht ab Bei der Überprüfung von Lebensmitteln auf Be- strahlung nutzt man die Tatsache, dass die so be- handelten Waren bei gezielter Zufuhr von Wärme oder Infrarotlicht selbst Licht abgeben. Der Nach- weis der Lebensmittelbestrahlung wird also durch Messung der Thermolumineszenz (TLD) bezie- hungsweise der Photostimulierten Lumineszenz (PSL) erbracht, wobei sich die PSL-Methode eher als schnelle Screening-Methode eignet. Bei auffäl- ligen Ergebnissen bedarf es einer Verifizierung mit der TLD-Methode. 20 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Speziallabor für Bestrahlungsnachweise Das HU wurde 2020 von der Hamburger Behör- de für Justiz und Verbraucherschutz als amtliches Labor für die Untersuchung von Lebensmittel auf Bestrahlung benannt. Im Rahmen der Norddeut- schen Kooperation führt es diese Untersuchung als Schwerpunktlabor auch für die anderen Bun- desländer Norddeutschlands durch und hat somit eine spezielle Expertise in diesem Gebiet. Aufgrund dieser Expertise hat auch der finnische Zoll das HU beauftragt, die amtliche Überprüfung von Proben vorzunehmen, die in Finnland bei einem Screening mit der PSL-Methode auffallen. Die nationalen und internationalen Kooperationen reduzieren für alle Beteiligten die Kosten, da nur an einer Stelle das notwendige Equipment und die Expertise vorgehal- ten werden müssen. Weitere Informationen auf unserer Website zum Verbraucherschutz. etiKettenschwindel auf der spur Verdünnter Wein, gestrecktes Olivenöl – wir decken Lebensmittelbetrug mit Hilfe von NMR-Spektroskopie auf. Anfragen bitte an: service@hu.hamburg.de Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 21

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © Institut für Hygiene und Umwelt Lebensmittelkontrollen Wein-Untersuchungen in Hamburg schützen den gesamten EU-Markt vor verfälschten Produkten (Text veröffentlicht am 15.08.2022 als Pressemeldung) Wein kann, je nach Herkunft der Trauben und deren Verarbeitung, ein hochpreisiges Genussmittel sein. Die EU macht Vorgaben für die nationalen Weingesetze, damit Verbraucher:innen in ganz Europa vor Etikettenschwindel oder verfälschten Produkten geschützt sind. Der Hamburger Zoll lässt immer mehr auffällige Weineinfuhren vom Institut für Hygiene und Umwelt (HU) hinsichtlich Herkunft und Qualität überprüfen. Weine aus aller Welt kommen in Hamburg an Pro Jahr werden etwa 4.000 bis 5.000 Weine aus Nicht-EU-Ländern in Hamburg zur Einfuhr an- gemeldet – damit ist Hamburg die bedeutendste Weineinfuhrstadt Deutschlands. Viele dieser Im- porte stammen nicht nur aus klassischen Weinlän- dern wie Südafrika, Chile oder Argentinien, sondern Gesetzliche Vorgaben müssen erfüllt sein Entsprechen Inhaltsstoffe, Zusammensetzung und Kennzeichnung den weinrechtlichen EU-Vorgaben? Dieser Frage gehen die Weinsachverständigen des Instituts im Auftrag der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) und des Hamburger Zolls nach. Die Mitarbeiter:innen des Zolls prüfen die Zulassung zur Einfuhr von Weinbauerzeugnissen, die den Hafen erreicht haben. Ergeben sich dabei Zweifel an der Richtigkeit der Dokumente oder an auch aus besonderen Anbaugebieten wie Japan, Brasilien oder der Türkei. Mit ihrem Eintreffen in Hamburg erreichen die Weine den EU-Binnenmarkt und werden in diesen verteilt. Die Hansestadt be- sitzt daher eine wichtige Wächterfunktion zur Kon- trolle der Einfuhrfähigkeit der Weine. der Einfuhrfähigkeit des Weins, holen sie ein Gut- achten beim HU mittels Übersendung einer Probe ein. Solange die Untersuchungen im Labor durch- geführt werden, bleibt die Weinlieferung in einem Zolllager unter Verschluss. Erst wenn das Gutach- ten des HU die Einfuhrfähigkeit des Weins bestä- tigt, darf dieser weiter an sein Ziel in Deutschland oder in anderen EU-Ländern transportiert werden. 22 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Zusammensetzung wird im Labor analysiert Am HU wird der Wein auf Parameter wie Alkohol- gehalt, Zusammensetzung der Säuren und Zucker untersucht. Die Laborergebnisse sollten mit den analytischen Werten übereinstimmen, die in den Einfuhrdokumenten angegeben sind. Im zweiten Schritt verkosten Lebensmittelchemiker:innen und Weinsachverständige die Weine und prüfen, ob der sensorische Eindruck zu den Angaben in der Kenn- zeichnung passt. Wenn Abweichungen festgestellt Viele Import-Weine entsprechen nicht den Vorgaben In den letzten Jahren ist die Probenanzahl fast kon- tinuierlich gestiegen und die Quote der nicht ein- fuhrfähigen Weine liegt mit über 60 bis 70 Prozent sehr hoch. Zu beachten ist, dass diese Quote nicht werden, wird der Wein auf weitere Inhaltstoffe un- tersucht, wie zum Beispiel den Gehalt an flüchtiger Säure, den Schwefeldioxidgehalt oder andere Stof- fe, die zur Stabilisierung des Weins zugesetzt wer- den dürfen. Ebenso findet bei Verdacht eine Unter- suchung auf den Zusatz von verbotenen Stoffen statt, wie etwa Aromastoffe oder technisches Gly- cerin, das für ein harmonisches Mundgefühl sorgt. auf alle Weine übertragen werden kann, die zur Ein- fuhr angemeldet werden, da es sich eben nicht nur um risikoorientierte Stich-, sondern überwiegend um Verdachtsproben handelt. Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Probenzahl Beanstandungsquote 74 85 68 131 209 115 228 95 208 68 % 58 % 79 % 64 % 67 % 57 % 63 % 66 % 71 % Die häufigsten Gründe zur Beanstandung sind Mängel in der Kennzeichnung der Weine, falsche Angaben in den Einfuhrdokumenten, zum Beispiel abweichende analytische Werte oder unbestätigte Eigenschaften des Weins wie geographische An- gaben oder Rebsorten. Oft werden im Labor auch Grenzwertüberschreitungen bei Inhaltsstoffen (wie flüchtige Säure, Alkohol), bei zugesetzten Stoffen (wie Schwefeldioxid) oder der Zusatz verbotener Stoffe (wie Aromen, Zucker) nachgewiesen. Meist nicht gefährlich – nur „nicht rechtmäßig“ Gesundheitsgefahr besteht beim Verzehr solcher beanstandeten Weine selten, es liegt aber eine Ver- letzung des Weinrechts und/oder eine Täuschung der Verbraucher vor. Bei gewissen Mängeln bekom- men die Importeure die Möglichkeit, diese zu be- seitigen, um den Wein doch noch einfuhrfähig zu machen. Die Beseitigung der Mängel kann von der BJV bestätigt und eine Genehmigung zur Einfuhr erteilt werden. Einige Mängel können jedoch nicht korrigiert werden, wie zum Beispiel die Verwen- dung nicht zugelassener Herstellungsverfahren. In solchen Fällen muss der Wein vernichtet oder in sein Herkunftsland zurückgesendet werden. Weitere Informationen unter https://www.hamburg.de/hu/weine/ Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 23

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © Adobe Stock, www.photocreo.com Prophylaxe gegen Bienenseuche Hamburg übernimmt Kosten für Untersuchungen auf Amerikanische Faulbrut (Text veröffentlicht am 23.03.2022 als Pressemeldung) Im Frühling bestäuben unzählige Bienen die Blüten von Zier-, Wild- und Nutzpflanzen. Die Biene ist nach der Kuh und dem Schwein das drittwichtigste Nutztier. Zum Schutz vor der verbreiteten Bienen- seuche Amerikanische Faulbrut (AFB) sollten ausnahmslos alle Bienenvölker mindestens einmal im Jahr auf den Erreger überprüft werden. Im Institut für Hygiene und Umwelt (HU) kann die Untersu- chung in Auftrag gegeben werden, für Hamburger Imker:innen trägt die Behörde für Justiz und Ver- braucherschutz (BJV) die Kosten. Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina: „Wenn die Bienen verschwinden, hätte das dramatische Auswirkungen auch auf uns Menschen. Den Bienen haben wir einen großen Teil unserer Lebensmittel zu verdanken und die kommerzielle Landwirtschaft hängt von ihnen ab. Aber wir Menschen machen den Bienen das Leben schwer, zum Beispiel mit Monokulturen und Pestiziden. Deshalb ist es umso wichtiger, sie so effektiv wie möglich vor gefähr- lichen Krankheiten zu schützen.“ Bienenseuche Amerikanische Faulbrut Eine besonders ansteckende und weltweit verbrei- tete Bienenkrankheit ist die Infektion mit dem Er- reger der Amerikanischen Faulbrut, Paenibacillus larvae. Die AFB wird in der EU als Seuche der Kate- gorie D und E gelistet ((EU) 2016/429) und muss überwacht werden. Der Ausbruch der AFB ist für den Menschen ungefährlich, der Honig kann ohne jede Einschränkung auch weiterhin verzehrt wer- den. Die Krankheit führt jedoch meist zum Zusam- menbruch der erkrankten Völker. Regelkontrolle ist beste Prophylaxe Alle Imker:innen sollten ihre Bienenvölker jährlich prophylaktisch auf die Amerikanische Faulbrut untersuchen lassen. Für Imker:innen, die eine Ham- burger Registriernummer haben und deren Bienen- völker auf Hamburger Gebiet stehen, übernimmt die BJV derzeit die Kosten der Untersuchung. Die dafür benötigten Futterkranzproben können rund um die Uhr, auch am Wochenende, beim Institut für Hygiene und Umwelt abgegeben werden. 24 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Nur gesunde Völker dürfen reisen Wenn zusätzlich eine Seuchenfreiheitsbescheini- gung benötigt wird, muss die Probe im Vier-Au- gen-Prinzip gezogen werden. Eine amtstierärztli- che Seuchenfreiheitsbescheinigung ist bei Verkauf, Wanderung, Belegstellenbeschickung oder Umzug von Völkern vorzulegen, um die Verbreitung von Erreger müssen vernichtet werden AFB-Erregern zu unterbinden. Die Voraussetzung dafür ist eine Faulbrutuntersuchung mit negativem Ergebnis. Die Seuchenfreiheitsbescheinigung be- antragen Imker:innen beim zuständigen Veterinär- amt (in Hamburg beim Bezirksamt). Ausschlaggebend für die Feststellung des Aus- bruchs der Amerikanischen Faulbrut durch Amts- veterinäre und Amtsveterinärinnen ist immer zu- sätzlich zum labordiagnostischen Nachweis das Vorhandensein von klinischen Symptomen im Bie- nenvolk. Die Bekämpfung der AFB ist schwierig. Die wirk- samste Methode ist die Vernichtung befallener Bienenvölker einschließlich der Beseitigung der toten Bienen und die Vermeidung der Sporenver- breitung durch Honig, Bienenwohnungen und Ge- rätschaften. Der Einsatz von Antibiotika ist ver- boten und zudem unsinnig. Sie wirken zwar gegen die Bakterien, nicht aber gegen die Sporen, die der Faulbruterreger ausbildet. Somit werden lediglich die Faulbrutsymptome unterdrückt, nicht aber der Ausbruch der Krankheit und eine Weiterverbrei- tung der Tierseuche verhindert. Verbindliche Vorgaben In Deutschland schreibt die Bienenseuchen- verordnung vor, dass die Haltung von Bienen der zuständigen Behörde anzuzeigen ist. In Hamburg ist das die Behörde für Justiz und Verbraucher- schutz. Es gibt keine Ausnahme für Hobbyhaltun- gen. Weiterführende Informationen • Imkerverband Hamburg e.V.: Wichtige Formulare für Imker:innen • Behörde für Justiz und Verbraucherschutz: Meldepflicht für Bienenhalter:innen in Hamburg • Institut für Hygiene und Umwelt: Untersuchung auf den Erreger der Amerikanischen Faulbrut Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 25 © Adobe Stock, www.photocreo.com

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T © pixabay.com Bericht zum Tiergesundheitsmonitoring Hamburger Landeslabor erfasst Gesundheitszustand von Wildtieren (Text veröffentlicht am 22.11.2022 als Pressemeldung) Durch den Kontakt von infizierten Wildtieren zu Nutztieren, Haustieren und Menschen besteht auch in Hamburg die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern. Um beim Auftreten von relevanten Erkrankungen schnell Maßnahmen ergreifen zu können, wurde bereits 2015 das „Tiergesundheitsmo- nitoring für Wildtiere in Hamburg“ von der obersten Jagdbehörde, dem Amt für Verbraucherschutz und dem Institut für Hygiene und Umwelt (HU) ins Leben gerufen. Das HU untersucht im Rahmen des Monitorings ausgewählte Wildtiere auf für Haustiere und Menschen besonders relevante Infektions- erreger. Der Abschlussbericht zum Jagdjahr 2021/22 wurde nun veröffentlicht. Insgesamt wurden im Jagdjahr 2021/22 438 Wild- tiere beziehungsweise deren Organe von über 50 Jägerinnen und Jägern zur Untersuchung im HU eingeliefert. An den Proben wurden 2280 Untersu- chungen durchgeführt. Die Wildtiere werden im HU auf Tierkrankheiten, Tierseuchen und Zoonosen (vom Tier auf Menschen übertragbare Erkrankun- gen) untersucht. Zusammenfassung des Jagdjahres 2021/2022 Für Staupe und Fuchsbandwurm scheint bisher kei- ne Ausbreitung innerhalb des Hamburger Stadt- gebietes zu erfolgen, die Funde konzentrieren sich aktuell auf die Bezirke Harburg und Bergedorf, aus denen auch die meisten Proben stammen. Verein- zelte Nachweise aus Wandsbek und HH-Mitte er- folgten zuletzt 2019. Hier ist künftig besonders darauf zu achten, dass möglichst alle Bezirke in den Einsendungen repräsentativ erfasst werden. Besondere Wachsamkeit, die sich bereits in den stark gestiegenen Probenzahlen zeigt, ist bezüg- lich der Afrikanischen Schweinepest (ASP) gebo- ten. Mit dem Landkreis Ludwigslust Parchim ist eine Region in geringer Entfernung zu Hamburg inzwischen betroffen. Ausbrüche in Niedersachsen und Baden-Württemberg zeigen, dass sich das Vi- rus schnell und vermutlich auch über längere Dis- tanzen verbreitet. Die Seuche ist für Menschen und andere Haustiere ungefährlich, hat aber unter Umständen wirtschaftliche Folgen. Das verstärkte Monitoring im Hinblick auf ASP ist daher für Ham- burg weiterhin essentiell, um Fälle schnell zu erken- nen und wirksame Maßnahmen zur Eindämmung ergreifen zu können. Die Afrikanische Schweinepest und ihre Auswirkungen auf den Handel Die Afrikanische Schweinepest ist eine für Haus- und Wildschweine hochansteckende Virus-Erkran- kung mit hoher Sterblichkeit. Der Erreger breitet 26 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 sich in Europa und auch in Deutschland immer mehr aus. Hamburg ist bisher nicht betroffen, aber in der Nähe der Hamburger Landesgrenze (Ludwigslust-

V E R B R AU C H E RSC H U TZ / T I E RG E SU N D H E I T Parchim) wurden 2021 erste infizierte Wildschwei- ne gefunden und die Nachweise in dieser Gegend dauern bis heute an. Für den Menschen und andere Haustierarten ist ASP nicht gefährlich. Dennoch gibt es strenge Restriktionen für betroffene Gebie- te mit gravierenden wirtschaftlichen Auswirkun- gen. Wichtige internationale Handelspartner haben aufgrund des Nachweises von ASP bei Wildschwei- nen Importe aus Deutschland bereits verboten. Ne- ben Schweinefleisch sind unzählige Waren betrof- fen, die Bestandteile vom Schwein enthalten (wie Gelatine, Kollagen, Heparin, tierische Fette, Häute und Borsten). Es gilt, die weitere Ausbreitung der ASP zu verhindern. Als eine der wichtigsten Maß- nahmen gilt die schnellstmögliche Feststellung der Tierseuche – hierfür untersucht das HU regelhaft Schwarzwild (insbesondere Totfunde), damit eine potentielle Ausbreitung der ASP frühzeitig erkannt und umgehend bekämpft werden kann. sen, diesmal bei fünf Füchsen südlich der Elbe. Eine Infektion des Menschen mit dem Fuchsbandwurm kommt selten vor, hat aber gravierende Folgen und ist nur schwer behandelbar. Das Staupevirus wurde bei einem Waschbären und fünf Füchsen nachge- wiesen. Staupe ist eine für den Menschen ungefähr- liche, aber für Wildtiere sowie für den Hund hoch ansteckende und gefährliche Infektionskrankheit. Räudemilben wurden bei einem Marderhund fest- gestellt. Hundehalter und Hundehalterinnen sollten prophylaktische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Impfung gegen Tollwut und Staupe mit ihrem Tier- arzt oder ihrer Tierärztin besprechen. Tollwut, Fuchsbandwurm, Staupe und Räude unter Beobachtung Auch Füchse, Marderhunde, Dachse und Waschbä- ren werden im Rahmen des Tiergesundheitsmoni- toring untersucht, unter anderem auf die Erreger von Tollwut, Staupe, Räude und Fuchsbandwurm. Diese Erkrankungen sind auf andere Tiere und zum Teil auch auf den Menschen übertragbar. Deutsch- land gilt zwar seit 2008 offiziell als frei von Klassi- scher Tollwut, jedoch stellt der illegale Handel von ungeimpften Welpen ein erhöhtes Risiko für einen erneuten Eintrag und die Verbreitung von Tollwut in Deutschland dar, so dass die regelmäßige Über- wachung der Wildtiere wieder in den Fokus gerückt ist. Der Fuchsbandwurm hingegen wurde auch in diesem Jagdjahr wieder in Hamburg nachgewie- West-Nil- und Usutu-Viren auf dem Vormarsch In den letzten Jahren wurden in Deutschland ver- mehrt Infektionen bei Menschen mit dem West-Nil- Virus (WNV) gemeldet. Meistens verlaufen diese Infektionen beim Menschen symptomfrei oder mit geringen Beschwerden. Bei immungeschwächten und älteren Personen können jedoch schwere Ver- läufe auftreten. Die Viren können durch direkten Kontakt mit erkrankten Vögeln sowie durch Stech- mücken übertragen werden. Es ist daher wichtig zu dokumentieren, in welchen Gebieten WNV-Infek- Zunehmende Bedeutung von wildtierübertragenen Erkrankungen tionen bei Vögeln und Pferden auftreten. In Ham- burg ist im Sommer 2022 zum ersten Mal bei einem Pferd eine Erkrankung durch WNV bestätigt wor- den. Im Rahmen des Tiergesundheitsmonitorings untersucht das HU regelhaft jagdbare Wildvögel auf WNV und das verwandte Usutu-Virus, um einen Überblick über den Status zu behalten. Im Jagdjahr 2021/22 wurden 33 Wildvögel untersucht, die Vi- ren wurden dabei nicht gefunden. Die aktuellen Nachweise und die allgemeine Tier- seuchenlage unterstreichen die Bedeutung des Tiergesundheitsmonitorings für Wildtiere in Ham- burg. Durch die gewonnenen Ergebnisse können die Bevölkerung und besonders exponierte Personen gezielt informiert und besser geschützt werden. Zudem können präventive Maßnahmen zum Schutz der Haus- und Nutztierpopulation frühzeitig ergrif- fen werden. Die Berichte zu den Jagdjahren bieten wertvolle Informationen auch für Naherholungssu- chende und Hundehalter:innen im Stadtgebiet. Sie stehen öffentlich zugänglich zum Download bereit. Weiterführende Informationen • Abschlussbericht Jagdjahr 2021/2022 • Tiergesundheitsmonitoring für Wildtiere in Hamburg • Broschüre: Probenahme bei Wildtieren - Ablauf und Hinweise Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 27

M E D I Z I N © MuamerO - stock.adobe.com Hamburger Seuchenschutz macht Schule Konzept für Großschadenslagen in Häfen entwickelt (Text veröffentlicht am 26.07.2022 als Pressemeldung) In Hamburg wurde ein Konzept für den Umgang mit vielen Erkrankten erarbeitet, das nun auch ande- ren Hafenstädten zur Verfügung steht. Hamburg als Einfallstor für Krankheitserreger In einer Hafenstadt wie Hamburg mit globalen Han- dels- und Verkehrsbeziehungen ist jederzeit der Eintrag unbekannter Infektionen möglich. Bricht auf einem Schiff mit vielen Personen an Bord eine Infektionskrankheit aus, ist höchste Vorsicht und schnelles Handeln geboten. Zum Schutz der Be- völkerung müssen alle relevanten Behörden und Einsatzkräfte auf eine solche Situation vorbereitet sein, denn eine koordinierte Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte und Beteiligten ist essenziell. Forschungsprojekt entwickelt Szenarien und Lösungen Das Hamburg Port Health Center (HPHC) hat vor diesem Hintergrund bereits 2019 zusammen mit der Universitätsmedizin Greifswald und dem ham- burgischen Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin das wissenschaftliche Projekt ARMIHN (Adaptives Resilienz Management im Ha- fen) gestartet. In den vergangenen Jahren haben die Beteiligten Konzepte für Einsätze in Großscha- denslagen mit vielen Erkrankten erarbeitet. Nun liegt ein Abschlussbericht vor. Besonders in- novativ ist hierbei ein neuartiger, digitaler Ansatz zur Vereinfachung der Triage von Betroffenen. Die Praxistauglichkeit des Konzepts wurde in mehre- ren Übungen getestet. Andere Städte haben nun die Möglichkeit, sowohl die Projektergebnisse als auch die Konzeptionen der Übungen zu nutzen und für den eigenen Hafen anzupassen. Senatorin Dr. Melanie Leonhard: „Wenn es um den Gesundheitsschutz geht, stehen Europas Ha- fenstädte vor ähnlichen Herausforderungen. Des- wegen ist es sinnvoll, dass wir in diesen Fragen voneinander lernen. Wir müssen auf Situationen vorbereitet sein, in denen wir angesichts globaler Handels- und Verkehrsströme mit möglicherweise schwer einschätzbaren Infektionskrankheiten an Bord von Schiffen konfrontiert sind. Diese Anfor- derung ist nicht neu, aber angesichts des Pande- miegeschehens der letzten Jahre von neuer Aktu- alität.“ Dr. Martin Dirksen-Fischer, Leiter des Hafenärzt- lichen Dienstes: „Wenn die Gefahr besteht, dass sich viele Menschen gleichzeitig mit einem ge- fährlichen Krankheitserreger infizieren, bedeutet das großen Stress für alle Beteiligten. Mit dem im Projekt entwickelten Konzept können sich Einsatz- kräfte auf solche Situationen vorbereiten, bevor der Ernstfall eintritt. Für Hamburg haben wir mög- liche Fälle gründlich durchdacht und alle relevanten Beteiligten einbezogen. Die Ergebnisse stellen wir anderen Hafenstädten als good practice zur Ver- fügung, sodass andere auf unsere Erfahrungen zu- rückgreifen können. “ 28 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

M E D I Z I N Kreuzfahrtschiffe im Fokus Ziel des Projekts war es, die Handlungsfähigkeit zu verbessern, wenn es zu einem Massenanfall von Er- krankten im Hafen oder auf einem Schiff kommt. Im Fokus des Forschungsprojekts standen vor al- lem Schiffe mit vielen Menschen an Bord, wie zum Beispiel Kreuzfahrtschiffe. Passagiere und Besat- zung können mit verschiedensten Erregern in Kon- takt kommen und diese auf dem Schiff verbreiten. Außerdem stellen Kreuzfahrtschiffe ein mögliches Ziel für potenzielle terroristische Angriffe mit Bio- waffen dar. Einsatzkräfte erfassen Lage mit Spezialsoftware Im Ernstfall benötigen Rettungskräfte und Gesund- heitsbehörden möglichst schnell Informationen, bei wie vielen und welchen Personen ein dringender Behandlungsbedarf besteht. Für die Erfassung der Lage vor Ort wurde im Rahmen von ARMIHN ein neues Verfahren entwickelt: Eine IT-Anwendung, die das medizinische Personal dabei unterstützt, über die weitere Behandlung der Erkrankten zu entscheiden. Der Algorithmus zur Triagierung er- laubt dabei eine elektronisch abrufbare Übersicht über Anzahl und Zustand der infektiösen Patien- tinnen und Patienten. Dadurch vereinfacht sich die Kommunikation aller Beteiligten und ermöglicht eine bessere Planung und Koordination vorhande- ner Einsatzkräfte und -materialien. ten Übungen sind außerdem auf der Webseite des ARMIHN-Projekts einzusehen und werden dort auch nach Projektende zur weiteren Verwendung angeboten. Die gesammelten Erfahrungen und das gewonnene Fachwissen können im Rahmen von Be- ratungsleistungen von anderen Häfen (national und international) in Anspruch genommen werden. Projektergebnisse stehen online zur Verfügung Der Abschlussbericht zum Projekt wurde im Juni 2022 beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) als Projektträger eingereicht und wird zeitnah von der Bibliothek des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Technischen Informa- tionsbibliothek Hannover (TIB) veröffentlicht. Die entwickelten Notfallkonzepte, Trainingsunterla- gen und Erfahrungsberichte zu den durchgeführ- Über das Projekt ARMIHN Das Projekt ARMIHN lief von 2019 bis 2021. Es wurde vom BMBF gefördert. Neben dem HPHC des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) waren auch das Hamburger Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) des Universitätsklini- kum Eppendorf sowie die Klinik für Unfall-, Wieder- herstellungschirurgie und Rehabilitative Medizin der Universitätsmedizin Greifswald als Verbund- partner beteiligt. Die Feuerwehr Hamburg hat das Projekt als assoziierter Partner begleitet. Die tech- nische Übungsplattform wurde von der Hochschule Projektergebnisse In Laufe des Projekts wurde nicht nur die Zusam- menarbeit betrachtet und optimiert. Es wurde auch ein Grundsatzdokument mit den wesentlichen handlungsrelevanten Rechtsgrundlagen zusam- mengestellt, ein Sicherheitskonzept verfasst und eine bereits bestehende Softwarelösung zur Erfas- sung von Erkrankten angepasst. Außerdem wurden für Angewandte Wissenschaften (HAW) – Fakultät Life Sciences in Hamburg-Bergedorf entwickelt. Die Projektpartner brachten unterschiedliche Schwer- punkte ein – das Praxiswissen des Hafenärztlichen Dienstes aus Hamburg wurde ergänzt von der wis- senschaftlichen Kompetenz in Bezug auf den mari- timen Schwerpunkt seitens des ZfAM und bei der Bewältigung von Großschadensereignissen seitens der Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsmedi- zin Greifswald. die Notfallkonzepte und Gefährdungsanalysen kri- tisch bewertet sowie in mehreren Übungen auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. In Kooperation der Hamburger und Greifswalder Institutionen entste- hen darüber hinaus weitere internationale Publika- tionen zu den Erkenntnissen. Beteiligte Akteure An der Übung waren unterschiedliche Akteure be- teiligt, die im Ernstfall im Hafen zusammenarbei- ten, darunter Hafenärztlicher Dienst, Feuerwehr und Rettungsdienst, Sozial- und Gesundheitsbe- hörden, Hamburg Port Authority, das Havariekom- mando, externe Firmen und Sicherheitspersonal. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 29

M E D I Z I N © Adobe Stock, Romolo Tavani Bekämpfung von SARS-CoV-2 Die Pandemie wird fast Routine Seit Beginn der Pandemie trägt das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) viel zur Eindämmung der Viren in Hamburg bei: Hier werden Infektionszahlen zusammengestellt, Infektionsschutzkonzepte entwickelt und angepasst, Krankenhäuser sowie Wohn- und Pflegeeinrichtungen in Sachen Hygiene beraten. In den virologischen Laboren des HU werden zudem PCR-Tests auf SARS-CoV-2 ausgewertet, das NGS-Labor bestimmt Virentypen anhand des Erbguts, der Hafen- und Flughafenärztliche Dienst überwacht die Lage im Reiseverkehr Hamburgs und das Zentrum für Impfmedizin unterstützt bei der Umsetzung der Impfkampagne gegen Corona. Zu Beginn der Pandemie kamen auf das HU viele neue Aufgaben zu oder bestehende Aufgaben ha- ben deutlich an Umfang zugenommen. Es mussten ad hoc Wege gefunden werden, um diese zusätz- lichen Anforderungen mit dem Stammpersonal zu erfüllen (siehe hierzu HU-Jahresbericht 2021). In- zwischen sind viele dieser Lösungen optimiert, ei- nige Aufgaben sind ein Stück weit zur Routine ge- worden, andere Aufgaben sind mit Entspannung der Infektionslage wieder weggefallen. Dennoch bedeutet die anhaltende Pandemielage für die Erhebung der Infektionslage Das infektionsepidemiologische Landeszentrum am HU beobachtet systematisch und kontinuier- lich alle meldepflichtigen Infektionskrankheiten in Hamburg, gibt sie an das Robert Koch-Institut (RKI) weiter und veröffentlicht sie regelmäßig. Auch die Meldungen der Corona-Infektionen aus den sieben Hamburger Gesundheitsämtern werden hier zu- Mitarbeiter:innen des Fachbereichs „Hygiene und Infektionsmedizin“ auch weiterhin eine hohe Be- lastung – nicht nur wegen der vielfältigen, damit verbundenen Zusatzaufgaben, sondern auch weil immer wieder Fachleute krankheitsbedingt ausfal- len. Dies kann nur dank des enormen Einsatzes der Mitarbeiter:innen aufgefangen werden, die weiter- hin verlässlich die wichtigen Aufgaben zur Pande- mie-Bekämpfung für den Hamburger Senat und unsere gesamte Stadt erledigen. sammengeführt, überprüft und analysiert. Der Da- tentransfer zum RKI läuft in Hamburg IT-gestützt und inzwischen in Echtzeit. Für das RKI ist die ver- lässliche und schnelle Übermittlung der Daten be- sonders in einer dynamischen Pandemielage sehr wichtig, um auf dieser Basis Empfehlungen mit na- tionaler Tragweite auszusprechen. 30 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

M E D I Z I N Hygienechecks und Anpassung von Hygieneplänen Hygieneärzte und -ärztinnen sowie Hygienefach- kräfte führten auch in 2022 viele Begehungen und Beratungen in Kliniken sowie in Wohn- und Pfle- geeinrichtungen durch, um die oft vulnerablen Be- wohner:innen zu schützen. Die jeweiligen Hygiene- maßnahmen und -pläne wurden individuell an die Infektionslage und Gegebenheiten in den Einrich- tungen angepasst. Auch Muster-Hygienepläne für die unterschiedlichen Anforderungen in Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder bei ambulanten Pfle- gediensten sowie Firmen oder Behörden wurden ständig aktualisiert und an die neuesten Verord- nungen und juristischen Vorgaben angepasst. o d R i , k c o t S e b o d A © PCR-Analysen und Untersuchungen von Ausbruchsgeschehen Im virologischen Labor des HU wurden seit Be- ginn der Pandemie 36.000 PCR-Analysen auf SARS-CoV-2 durchgeführt, davon alleine 8.835 im Rahmen eines Projektes für Hamburger Schulen, um bei positivem Selbsttest bei Lehrkräften und Schüler:innen schnell Gewissheit zu erhalten. Für fünf Prozent der positiven Proben aus den Schulen wurde im NGS-Labor zur Bestimmung der vorherr- schenden Virusvarianten auch eine Ganzgenom- Sequenzierungen durchgeführt. In Phasen mit hohen Fallzahlen stieg die Anzahl der Testungen und die durchschnittliche Positivrate der Test jeweils deutlich an, inklusive der Erfassung und Übermittlung der Daten an das zuständige Ge- sundheitsamt und das RKI. Durch die Anpassungen der Teststrategie und der entsprechenden Verord- nung werden seit Frühjahr 2022 deutlich weniger PCR-Tests in Auftrag gegeben. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 31

M E D I Z I N Hafen- und Flughafenärztlicher Dienst (HÄD) Seit Beginn der Pandemie hat das HU Reedereien, Fluggesellschaften und andere Einrichtungen, die im Hafen und am Flughafen aktiv sind (Seemanns- missionen, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz) zu Hygiene- und Schutzmaßnahmen beraten, wobei der Bedarf sukzessive sinkt. Bereits seit Sommer 2021 bietet der HÄD Seeleuten in Hamburg ein kostenfreies Impfangebot an und hat damit dazu beigetragen, mögliche Todesfälle durch Corona an Bord zu vermeiden und die globalen Lieferketten zu stabilisieren. Mit Entspannung der Infektions- lage werden immer weniger Ausschlussdiagnosti- ken bei den Besatzungen von im Hafen liegenden Schiffen benötigt. Aber auch in 2022 gab es einige Ausbrüche im Bereich der Handelsschifffahrt und Ereignisse bei der Kreuzfahrtindustrie. Der HÄD beobachtet das COVID-19 Geschehen weiterhin sehr genau. Impfungen Das Zentrum für Impfmedizin des HU steht der Freien und Hansestadt Hamburg als zentrales Kom- petenzzentrum rund um das Thema Impfen zur Sei- te. Hier kann man sich jede öffentlich empfohlene Impfung verabreichen und auch (reise)medizinisch beraten lassen. In 2022 wurden in den Räumen des Zentrums auch über 2.000 Menschen gegen Corona geimpft und vom HU wurden wieder Tei- le der Corona-Impfstoff-Logistik organisiert. Da- rüber hinaus haben sich mobile Teams des Zent- rums an der Impfung von insbesondere aus der Ukraine geflüchteten Menschen in den städtischen Unterkünften und im Rahmen des Projektes Medi- bus beteiligt. Auch für das Fachwissen des Teams rund ums Impfen besteht weiterhin hoher Bedarf: Es wurden unzählige Fragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet und auch regelmäßig die Be- hörden fachlich beraten. Weitere Informationen: https://www.hamburg.de/hu/hygiene-und-infektionsmedizin/ leGionellen im leitunGswasser? Wir untersuchen Trinkwasserinstallationen auf Legionellen (und andere Keime). Anfragen bitte an: service@hu.hamburg.de 32 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

M E D I Z I N a t t e b n a a , k c o t S e b o d A © Reisemedizinische Beratung Der kluge Urlauber sorgt vor – und lässt sich recht- zeitig impfen (Text veröffentlicht am 07.06.2022 als Pressemeldung) Wer auf Reise gehen möchte, sollte sich über gesundheitliche Risiken während der Reise und am Ur- laubsort informieren. Im Hamburger Zentrum für Impfmedizin kann man sich zu allen Fragen rund um die Themen Impfen, Reisemedizin und dazugehörige Vorsorgemaßnahmen beraten und bei Bedarf direkt impfen lassen. Dr. Matthias Boldt, Leiter des Zentrums für Impf- medizin: „Nicht nur bei Fernreisen ist es sinnvoll, sich Gedanken über Vorsorgemaßnahmen zu ma- chen. Sogar bei einer Reise innerhalb Deutschlands kann beispielsweise eine Impfung gegen FSME an- Individuelle Beratung ist mehr als sinnvoll Ob eine medikamentöse Prophylaxe oder Impfun- gen zu empfehlen sind, hängt sowohl von der Art der Reise, dem Reiseziel und den damit verbunde- nen Einreisevorschriften als auch vom individuellen Risiko im Hinblick auf Vorerkrankungen oder Aller- gien ab. Das Zentrum für Impfmedizin ist speziali- siert auf reisemedizinische Beratungen und zudem Ohne Termin geht es nicht Impfungen und Reiseberatungen finden grundsätz- lich nur nach Terminvereinbarung statt, um die Wartezeit gering zu halten. Terminwünsche kön- nen am einfachsten per E-Mail platziert werden. Telefonisch ist das Zentrum in der Regel montags, mittwochs und freitags von 8.30 bis 10:00 sowie montags und mittwochs von 14:00 bis 15:45 er- reichbar. geraten sein. Vor Fernreisen sollte man in jedem Fall den Impfstatus prüfen lassen und rechtzeitig einen Schutz vor Erregern aufbauen, die im Urlaubsland vorkommen können.“ staatlich zugelassene Gelbfieber-Impfstelle. Das erfahrende Ärzteteam spricht Empfehlungen für die Reiseapotheke aus und erstellt einen individu- ellen Impfplan. Notwendige Impfungen können so- fort vor Ort durchgeführt werden, da die erforder- lichen Impfstoffe vorrätig sind. Institut für Hygiene und Umwelt Zentrum für Impfmedizin Marckmannstraße 129b, 20539 Hamburg N e u e A d r e s s e s e i 0 1 . 0 2 . 2 0 2 3 t Telefon: +49 40 42845-4420 E-Mail: impfzentrum@hu.hamburg.de https://www.hamburg.de/impfzentrum/ Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 33

M E D I Z I N © pixabay.com Gutes Zusammenspiel vieler Akteure Eindämmung der Affenpocken in Hamburg Im Mai 2022 sind in Deutschland und vielen anderen Ländern weltweit erstmals Fälle von sogenannten Affenpocken beim Menschen aufgetreten. In Hamburg wurde am 31. Mai der erste Fall gemeldet. Viele befürchteten nach dem SARS-CoV-2 Geschehen eine neu aufkommende Pandemie, glücklicherweise kam es nicht so: Zum einen übertragen sich Affenpocken nicht über Aerosole durch die Luft, eine An- steckung erfolgt also weniger schnell als beispielsweise bei SARS-CoV-2. Zum anderen haben der Öf- fentliche Gesundheitsdienst und andere Akteure durch schnell und professionell in die Wege geleitete Aufklärungs- und Impfkampagnen einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass die Infektionszahlen bereits nach wenigen Tagen oder Wochen oder innerhalb kürzester Zeit stark rückläufig waren. Die sogenannten Affenpocken (Monkeypox, kurz Mpox) werden durch das Affenpockenvirus (Mon- keypox Virus, kurz Mpxv) verursacht. Eine Er- krankung verläuft bei den meisten Menschen mild und heilt in der Regel von alleine ab, es kann je- doch zu bleibenden Narben kommen und es kön- nen auch schwere Verläufe auftreten, insbesonde- re bei Kindern oder Personen mit geschwächtem Immunsystem. Im aktuellen weltweiten Ausbruch werden Affenpocken hauptsächlich durch engen Haut-zu-Haut-Kontakt übertragen, seltener auch durch Kontakt mit Stoffen wie Kleidung oder Bett- Schnelle Reaktion auf die ersten Fälle in Hamburg wäsche, die von einer erkrankten Person benutzt wurden. Tröpfchen-Übertragungen kommen nur sehr selten vor. Zu den Symptomen zählen Haut- veränderungen wie Pickel, Blasen, Ausschlag oder Wunden im Genital- oder Analbereich und auch an anderen Stellen wie an den Händen, Füßen oder im Gesicht. Diese können teils sehr schmerzhaft sein. Hinzu kommen oft allgemeine Krankheitssympto- me wie Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmer- zen, geschwollene Lymphknoten, Frösteln oder Ab- geschlagenheit. Bereits die ersten Meldungen von Infektionen am 31. Mai und 2. Juni rief die Expertinnen und Ex- perten des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) auf den Plan: Vom Infektionsepidemiologischen Landeszentrum (IENET) wurden die Fälle sofort an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt, und es begann die Koordination und Planung weiterer Schritte mit den Gesundheitsämtern und dem Amt für Gesundheit der Sozialbehörde. Auch mit ande- ren Bundesländern wurde Kontakt aufgenommen, um über mögliche Kontaktpersonen der Hambur- ger Erkrankten zu informieren. Das zum HU gehörende Hamburg Port Health Cen- ter (HPHC) hat frühzeitig den Fachstab Seuchen- schutz einberufen. Beteiligt waren hier neben dem HPHC und dem IENET das Universitätsklinikum Ep- 34 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

M E D I Z I N pendorf (UKE), die Sozialbehörde und die Hambur- ger Bezirke. Partner des Fachstabs waren zudem CASAblanca (Centrum für HIV und sexuell über- tragbare Infektionen in Hamburg-Altona) und ent- sprechende Schwerpunktpraxen. Darüber hinaus war das HU als Mitglied des Ständigen Arbeitskrei- ses der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STA- KOB), welches in 2014 vom RKI als Expertennetz- werk etabliert wurde, in die auf Fachebene zu den Themen Impfungen und Therapiemöglichkeiten eingebunden. Beratung und Diagnostik – im HU unter einem Dach Neben dem täglichen Austausch haben die Epide- miologinnen und Epidemiologen des HU die städti- schen Stellen wöchentlich mit den aktuellsten Be- richten, Fallzahlen und Statistiken, beispielsweise zu möglichen Ansteckungswegen, versorgt. Eine große Rolle spielten auch die Beratungsleistungen durch das HU in Absprache mit dem UKE und an- deren Akteuren, etwa zu Quarantänemaßnahmen und zur bestmöglichen Behandlung der Infizierten. Das RKI war hierbei ein zuverlässiger Partner, der schnell umfassende Informationen und Empfehlun- gen zu Mpox bereitgestellt hat. In den Laboren des HU begann unterdessen Ende Juni auch die Diagnostik von Verdachtsfällen zur Unterstützung des UKE, das einen Großteil der Analytik durchführte. Da Mpox unter die erhöhte Gefährdungsstufe fällt, mussten alle Abstrichpro- ben zunächst in einem Labor der Sicherheitsstufe 3 im HU inaktiviert werden, so dass die anschließende Diagnostik im Laborbereich mit Sicherheitsstufe 2 erfolgen konnte. Bis Anfang November wurden am HU insgesamt 42 Abstriche von 27 Personen mit Verdacht auf Mpox untersucht. Hiervon erwiesen sich zehn Personen als positiv und 17 als negativ. Rückläufige Infektionszahlen dankt erfolgreicher Zusammenarbeit Generell lässt sich der Austausch aller Akteure als eingespielt beschreiben – man kennt sich und die Meldewege sind gut etabliert. Die Standardisie- rung der Datenerhebung hat viele Prozesse ver- einfacht und eine rasche Berichterstattung ermög- licht. Eventuellen Informationslücken ist man in Hamburg frühzeitig zuvorgekommen – so hat das HU zum Beispiel zusammen mit CASAblanca und den Schwerpunktpraxen eine Informationsveran- staltung für die Gesundheitsämter organisiert. Seit August 2022 ist die Zahl der Infektionsfälle, die wöchentlich aus ganz Deutschland an das RKI übermittelt werden, rückläufig. Seit Mitte Oktober werden nur noch Fallzahlen im einstelligen Bereich berichtet. Todesfälle gab es hierzulande bisher kei- ne. Die Eindämmung von Mpox ist gelungen – in Hamburg hat das Zusammenspiel aus Präventions- kampagnen, Impfungen und einem gut funktionie- renden Öffentlichen Gesundheitsdienst maßgeb- lich dazu beigetragen. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 y t t t e r r r P , k c o t S e b o d A © 35

U M W E LT s e d n a r B n a i t s i r h C / g r u b m a H r e v r e s a i d e M © Saisonale Kontrollen für ungetrübten Badespaß Untersuchung der Hamburger Badegewässer In der Saison 2022 luden 14 offizielle Badestellen in ganz Hamburg und auf der Insel Neuwerk von Mitte Mai bis Mitte September zum Baden ein. Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) war an der Untersuchung der Wasserqualität der Hamburger Badegewässer beteiligt. Die langanhaltend warmen Sommertemperaturen führten stellenweise zu Massenvermehrungen von Cyanobakterien, es kam zu Sperrungen von Badestellen. Auch in der Alster gab es im Spätsommer eine ausgeprägte „Blaualgen- blüte“. Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrar- wirtschaft (BUKEA) lässt die Wasserqualität der offiziellen Hamburger Badegewässer während der Saison regelmäßig kontrollieren. Die Bezirksämter entnehmen dafür an den Badestellen etwa alle drei Wochen Wasserproben, die anschließend im Ins- titut für Hygiene und Umwelt untersucht werden. Bei Bedarf wird eine Badegewässersperrung aus- gesprochen und die Abstände zwischen den Unter- suchungen verringert. Untersuchte Parameter in Badegewässern Alle Badegewässer werden entsprechend der EG-Badegewässerrichtlinie auf intestinale Ente- rokokken und Escherichia coli untersucht. Diese Bakterien dienen als Anzeichen für eventuelle ge- sundheitliche Risiken durch Verunreinigungen fä- kalen Ursprungs im Gewässer. Außerdem werden die Sichttiefe, der pH-Wert und die Wassertem- peratur vor Ort gemessen. Wenn nötig, wird das Gewässer zusätzlich auf Cyanobakterien („Blau- algen“) untersucht. Alle aktuellen Ergebnisse und die Bewertung der Wasserqualität werden jeweils auf der Internetseite der BUKEA veröffentlicht (www.hamburg.de/badegewaesser). Bestimmung der Belastung mit Cyanobakterien Cyanobakterien können bei Massenentwicklungen eine Gesundheitsgefahr für Badende darstellen, da sie eine Vielzahl von Wirkstoffen bilden können mit unterschiedlichen und zum Teil stark toxischen Wir- kungen – sogenannte Cyanotoxine. Ist während der Probenahme ein auffälliges Wachstum von Algen erkennbar, wird eine zusätzliche Probe entnom- men und ins Labor gebracht. Hier wird zunächst eine fluorometrische Messung zur Bestimmung des Gehalts des Cyanobakterien-Chlorophylls in der Wasserprobe vorgenommen. Auf Grundlage dieser Daten und der „Empfehlung zum Schutz von Ba- denden vor Cyanobakterien-Toxinen“ des Umwelt- bundesamtes (2015) wird über eine Sperrung der Badestelle entschieden. Bei Überschreitung der „Alarmstufe“ von 75 µg/l Cyanobakterien-Chloro- phyll wird eine Badestelle gesperrt. Zusätzlich wird eine mikroskopische Untersuchung der Probe vor- genommen, um die vorliegenden Cyanobakterien- Gattungen zu identifizieren. Seit 2019 analysiert das HU in diesen Proben auch Konzentrationen von zehn verschiedenen Cyanotoxinen mittels Hoch- leistungsflüssigkeitschromatographie. Mit Hilfe der mikroskopischen Untersuchungen und chemischen Toxinanalytik kann das Gefährdungspotential einer Cyanobakterienblüte besser abgeschätzt werden, da diese nicht immer mit hohen Cyanotoxinkonzen- trationen im Wasser einhergeht. 36 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

U M W E LT Sperrung von Badestellen aufgrund von Cyanobakterien Wie in den Vorjahren gab es auch in 2022 einige Sperrungen von Badestellen aufgrund von Cyano- bakterienblüten. Bereits vor Beginn der offiziellen Badesaison gab es eine Sperrung des Allermöher Sees. Hier war eine Blüte von Cyanobakterien der Gattung Planktothrix (sog. „Burgunderblutalge“) einhergehend mit erhöhten Konzentrationen der Toxine Microcystin und Cylindrospermopsin fest- gestellt worden. Später im Laufe des Sommers entwickelten sich mit zunehmenden Wassertem- peraturen im Öjendorfer See, im Hohendeicher See und im See Hinterm Horn Cyanobakterienblüten, die zu einer Sperrung der Badestellen führten. Der Eichbaumsee war, wie auch in den Vorjahren, wäh- rend der gesamten Saison zum Baden gesperrt. Hier entwickelte sich zum Ende des Sommers hin eine stark ausgeprägte Blüte der Cyanobakterien- art Aphanizomenon flos-aquae mit Cyanobakteri- enchlorophyll-Gehalten von stellenweise mehreren Tausend µg/l. Bakteriologisch kaum Überschreitungen Eine Überschreitung der bakteriologischen Para- meter gab es in 2022 nur im Hohendeicher See. Dieser war zum Zeitpunkt der Belastung mit Fäkal- keimen jedoch ohnehin aufgrund von Cyanobakte- Untersuchungen auch in der Alster Die Alster ist zwar nicht als offizielles Badege- wässer ausgewiesen, wird jedoch während Sport- veranstaltungen regelmäßig zum Schwimmen ge- nutzt. So fanden im Jahr 2022 der IRONMAN im Juni und der HAMBURG WASSER Triathlon im Juli statt. Auch die Untersuchungen im Vorfeld die- ser Veranstaltungen wurden wieder durch das HU vorgenommen. Durch die Ausrichtung dieser Ver- anstaltungen - im Vergleich zu Vorjahren – relativ früh im Sommer gab es in diesem Jahr keine Beein- trächtigungen für die schwimmenden Athleten und Athletinnen durch Blaualgen. Später im Sommer rien gesperrt. Die bakteriologischen Untersuchun- gen an allen anderen Badestellen führten zu keiner Beanstandung. entwickelte sich auch in der Alster mit den lang- anhaltend warmen Temperaturen eine ausgepräg- te Cyanobakterienblüte. Diese wurden durch den Wind in den Uferbereichen zu dichten grünblau- schimmernden Teppichen mit Cyanobakterienchlo- rophyll-Konzentrationen von über 100 µg/l zusam- mengetrieben. Da die Alster kein Badegewässer ist, wurde keine Sperrung ausgesprochen, jedoch wurde dazu aufgerufen, den Kontakt mit dem Blau- algenteppich zu meiden und auch Hunde und ande- re Haustiere von den Uferbereichen fernzuhalten. Weitere Informationen: https://www.hamburg.de/hu/wasseruntersuchungen/ sauberes wasser – unGetrübter badespass! Wir bestimmen die chemische und mikrobiologische Wasserqualität von Schwimmbädern und Badestellen. Anfragen bitte an: service@hu.hamburg.de Institut für Hygiene und Umwelt Hamburger Landesinstitut für Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltuntersuchungen Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 37

U M W E LT © Institut für Hygiene und Umwelt Überwachung von Stadtgewässern Regen schwemmt Schadstoffe in Hamburgs Flüsse Um den Zustand der Fließgewässer in Hamburg stets im Blick zu haben, werden diese rund um die Uhr vom Wassergütemessnetz (WGMN) des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) überwacht. Unter- sucht werden dabei Messgrößen wie Sauerstoffgehalt, Temperatur und pH-Wert. Zusätzlich werden regelmäßig erweiterte Messprojekte durchgeführt, so auch 2021 und 2022 zur Untersuchung von Gewässerbelastungen durch Regenereignisse: Im Auftrag der Umweltbehörde setzt das HU ein Ver- fahren zur vollautomatisieren Probenahme ein, um die Belastung in der Tarpenbek während starker Niederschlagsereignisse zu erfassen und die Wasserqualität direkt mit dem Trockenwetterabfluss vergleichen zu können. Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) legt europa- weit Umweltqualitätsnormen fest mit dem Ziel, alle Flüsse, Seen, Grundwasser und Küstengewässer bis 2027 in einen „guten Zustand“ zu überführen. In Hamburger Oberflächengewässern werden die Grenzwerte für einige prioritäre und flussgebiets- spezifische Schadstoffe noch überschritten. Es besteht die Vermutung, dass Belastungen von Ge- wässern auch auf punktuelle Einleitungen von Nie- derschlagswasser, insbesondere Straßenabwasser, zurückzuführen sind. Ziel des Projektes vom HU und der Umweltbehörde war es daher, die Schwan- kungen der Einträge durch stärkere Regenereignis- se zu erfassen. Tarpenbek als Referenzfluss mit vielfältigem Einzugsgebiet Das HU entwickelte für das Projekt ein Verfah- ren, welches in einer Messstation des WGMN die Probenahme vor und während eines Regenereig- nisses auslöst, so dass Trockenwetterabfluss und Regenereignis direkt miteinander verglichen wer- den konnten. Die automatisierten Probenahmen fanden an der Messstation des WGMN an der Tar- penbek statt. Das Einzugsgebiet der Tarpenbek ist von unterschiedlichen urbanen Nutzungen geprägt wie Industriegebiete, Verkehr vom Flughafen und der Autobahn, Siedlungsflächen, Grünflächen und Landwirtschaft und offenbart daher Einträge aus unterschiedlichen Schadstoffquellen. Ein zusätz- licher Vorteil des Standortes ist, dass langjährige Stichprobenmessungen aus dem Monitoring nach WRRL vorliegen und einen direkten Vergleich der Projektdaten zu den Ergebnissen dieses Monito- rings ermöglichen. Die im Projekt genommenen Proben wurden auf rund 450 verschiedene Stoffe beziehungsweise Parameter untersucht. 38 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

U M W E LT Rund 50 Stoffe haben bei Regen erhöhte Konzentrationen Bis zum 09.11.2022 konnten 20 starke Regener- eignisse mit entsprechenden Referenzproben be- probt, analysiert und statistisch ausgewertet wer- den. Auf Basis der vorläufigen Daten konnte für rund 50 Stoffe eine signifikant höhere Konzentra- tion während der Regenereignisse nachgewiesen werden. Darunter sind vor allem straßenabwas- serbürtige Parameter wie Polycyclische Aroma- tische Kohlenwasserstoffe (PAK), Schwermetalle (wie Blei, Kupfer, Zink) und das aus dem Reifen- abrieb stammende, fischgiftige „6PPD-Chinon“. Aber auch für Einträge von Stoffen aus Industrie, Siedlungsgebieten, Pflanzenschutz und Schmutz- wasser konnten signifikant höhere Konzentratio- nen in den Ereignisproben festgestellt werden. Am Beispiel des PAK Benzo(ghi)perylen zeigt sich, dass die in der Oberflächengewässerverordnung fest- geschriebenen Umweltqualitätsnormen für einige Stoffe in den Regenereignissen deutlich häufiger überschritten werden als in den Referenzproben. Besonders hervorzuheben sind die Gehalte des 6PPD-Chinons, welches in den Regenereignispro- ben in Konzentrationen im Bereich von toxischen Konzentrationen für den (nicht in Deutschland vor- kommenden) Silberlachs nachgewiesen wurden. Gewässerbelastung: Regenereignisse werden unterschätzt Die Ergebnisse des Projektes legen offen, dass die stichprobenartigen Gewässeruntersuchun- gen im Rahmen der WRRL die Gewässerbelastung in Konzentrationsspitzen wie Regenereignissen unterschätzen und Gewässer erheblich durch Nie- derschlagswassereinleitungen belastet werden. Dies verdeutlicht die Relevanz von Regenwasser- behandlungsanlagen. Die Ergebnisse fließen nun in weitere Entscheidungsprozesse zu WRRL-Maßnah- men in der Umweltbehörde ein. Mit diesem Projekt konnte der Bereich Umweltuntersuchungen des HU seine umfassenden Analysemöglichkeiten und be- sonderen Stärken der automatisierten und ereig- nisgesteuerten Probenahme unter Beweis stellen. Weitere Informationen: https://www.hamburg.de/hu/wasseruntersuchungen/ Vergleich der gemessenen Konzentrationen in µg/L beispielhaft für die beiden Stoffe Benzo(ghi)perylen und 6PPD-Chinon Rote Line = zulässige Höchstkonzentrations-Umweltqualitätsnorm Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 39

U M W E LT i 0 1 3 e r d n a , k c o t S e b o d A © Untersuchungsumfang ausweiten Neuartige PFAS ersetzen verbotene Substanzen Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) werden aufgrund ihrer hohen chemischen Stabilität und Oberflächenaktivität in zahlreichen Produkten und Anwendungen eingesetzt. Diese Eigenschaf- ten machen sie jedoch – in Verbindung mit ihren problematischen toxikologischen und ökotoxikologi- schen Eigenschaften – zu potenziellen Umweltschadstoffen. Die Behörden überwachen daher zuneh- mend die Emission von PFAS sowie ihre Konzentration und Verteilung in der Umwelt. Um ein besseres Bild des Eintrags von PFAS über den Abwasserpfad zu gewinnen, hat das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) in Zusammenarbeit mit der Hamburger Umweltbehörde ein Überblicksmessprogramm bei abwasserrelevanten Wirtschaftszweigen durchgeführt. Hamburger Analyse-Methode prüft mehr als nur „klassische“ PFAS Das HU befasst sich schon seit vielen Jahren mit der Analyse von PFAS in Umweltmatrices wie Was- ser, Sediment und Fischen. Im Jahresbericht 2021 des Instituts wurde bereits über die Hintergründe der PFAS-Analytik sowie über die gesetzlichen Re- gelungen und Vorgaben im Trink- und Oberflächen- wasser berichtet. Aktuell können am Institut 28 Vertreter dieser Stoffgruppe untersucht werden, wobei neben den „klassischen“ PFAS auch einige relativ neue Ersatzstoffe bestimmt werden können, für die es im Umwelt- und Trinkwasserbereich noch keine rechtlichen Regelungen gibt. Die Untersu- chungsmethode wurde eingesetzt, um einen Über- blick über die Konzentrationen von PFAS und deren Variabilität in Abwässern aus zwei verschiedenen Branchen sowie einer kommunalen Großkläranlage zu erhalten. Galvanikbetriebe und Abfallbehandlung im Fokus Im Mittelpunkt der Analysen standen Proben aus Galvanik-Betrieben und chemisch-physikalischen Abfallbehandlungsanlagen („CP-Anlagen“). In der Galvanik werden PFAS schwerpunktmäßig einge- setzt, um bei der Verchromung von Werkstücken die Bildung von Chrom(VI)-Dämpfen zu unterdrü- cken. In CP-Anlagen werden flüssige gefährliche Abfälle, die gegebenenfalls auch PFAS enthalten können, mit dem Ziel behandelt, die kritischen In- haltsstoffe zu entfernen oder umzuwandeln und die Abfälle anschließend zu beseitigen. In den Jah- ren 2021 und 2022 wurden im Rahmen eines Son- dermessprogramms Abwässer von zehn Galvanik- Betrieben und fünf CP-Anlagen sowie Proben der Kläranlage Hamburg untersucht. Die Probenahme erfolgte durch HAMBURG WASSER im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirt- schaft (BUKEA). 40 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

U M W E LT Ersatzprodukte für verbotene PFAS im Abwasser erhöht Die Ergebnisse des Sondermessprogramms wer- den hier exemplarisch für „PFOS“ (Perfluoroctan- sulfonsäure) und für zwei neuere Ersatzstoffe „Capstone Produkt B®“ und „6:2-FTS“ dargestellt (siehe Abbildung 1): In Abwässern von CP-Anla- gen und von Galvanik-Betrieben lag PFOS in mitt- leren Konzentrationen von etwa 0,2 µg/l vor, es wurde in nahezu allen Proben nachgewiesen. PFOS ist seit 2019 EU-weit verboten, die einzige Ausnahme ist die Verwendung zur Sprühnebel- unterdrückung für nicht dekoratives Hartver- chromen in geschlossenen Kreisläufen. Trotz die- ser weitgehenden Einschränkungen ist es offen- kundig nach wie vor ein typischer Bestandteil von Industrie-Abwässern. In Abwässern der CP-Anla- gen war Capstone B der dominante Stoff, der im Mittel um den Faktor 70 höher konzentriert war als PFOS und in allen Proben vorhanden war. In Gal- vanik-Abwässern war hingegen 6:2 FTS der wich- tigste Ersatzstoff, dessen mittlere Konzentration bei etwa 1/3 der PFOS-Konzentration lag. Die Er- gebnisse verdeutlichen, dass Ersatzstoffe für die „klassischen“ PFAS von immenser quantitativer Bedeutung sind und die Konzentrationen solcher Substanzen sogar erheblich höher sein können als die der ursprünglich im Fokus stehenden Kontami- nanten. PFOS trotz Verbot allgegenwärtig Im Zu- und Ablauf der kommunalen Kläranlage war PFOS ein typischer Bestandteil mit einer mittleren Konzentration von etwa 0,005 µg/l, und auch die beiden Ersatzstoffe waren hier in ähnlichen Kon- zentrationen nachweisbar. Zum Vergleich sind in Abbildung 1 auch die Gehalte der Substanzen in Oberflächenwasserproben der Elbe und – als Ge- wässer ohne regelmäßige Einträge durch Kläran- lagen und Industrie – der Wedeler Au dargestellt. Hier wird ersichtlich, dass PFOS und die beiden Ersatzstoffe in ähnlichen Konzentrationen in der Elbe vorhanden waren. Die PFOS-Konzentration schwankte um den Median von 0,003 µg/l, und auch im unbelasteten Gewässer waren PFOS und 6:2-FTS regelhaft nachzuweisen. Selbst hier lag die mittlere PFOS-Konzentration von 0,0006 µg/l noch im Bereich der Umweltqualitätsnorm von 0,00065 µg/l, die in der aktuellen Oberflächenge- wässerverordnung als Wert zur Erreichung eines guten chemischen Zustands festgelegt ist. Ledig- lich der Ersatzstoff Capstone B wurde in der Regel nicht im unbelasteten Gewässer Wedeler Au nach- gewiesen. Auch Ersatzstoffe für klassische PFAS sollten überwacht werden Die Ergebnisse zeigen, dass die klassischen PFAS nach wie vor umweltrelevant sind, aber auch dass es ratsam ist, moderne Ersatzstoffe zielgerich- tet in die Überwachung von Abwasser und Ober- flächenwasser aufzunehmen. Die präzise Einzel- stoffanalytik am Institut für Hygiene und Umwelt liefert eine wertvolle Grundlage für die Ableitung weiteren Messbedarfs und die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für abwasser- produzierende Branchen. Abbildung 1: Übersicht über die Befunde für PFOS (links), Capstone B (Mitte) und 6:2-FTS (rechts) in den verschiedenen Proben- kollektiven (KA: Kläranlage). Der Median der Messwerte ist durch den Querstrich innerhalb der Box des jeweiligen Probentyps dar- gestellt. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 41

U M W E LT © Institut für Hygiene und Umwelt Luftuntersuchungen Einfluss der Osterfeuer auf Feinstaub in Hamburg Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) betreibt das Hamburger Luftmessnetz mit 15 Messstatio- nen (davon 12 im behördlichen und drei im privaten Auftrag) im gesamten Stadtgebiet und beobachtet damit kontinuierlich die Luftqualität. Für Ereignisse, die einen großen Einfluss auf die Luftqualität haben können – wie Ostern mit Osterfeuer – werden die Daten gesondert ausgewertet. Die kontinuierlichen Luftuntersuchungen finden größtenteils im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft statt, die Er- gebnisse werden alle frei zugänglich im Internet veröffentlicht (https://luft.hamburg.de/). Zusätzlich erstellen die Mitarbeiter:innen des Ham- Wetterlage prägt Feinstaubbelastung Osterfeuer werden sowohl an großen Brandstel- len als öffentliche Veranstaltung als auch an vielen kleinen Brandstellen im privaten Umfeld entzündet. Diese Vielzahl an Feuern kann zu einer kurzfristi- gen Erhöhung der Luftbelastung durch Feinstaub- PM10 führen. Dies sind sehr kleine Partikel in der Luft mit einem Durchmesser von bis zu 10 Mikro- metern (µm). Wie stark eine zusätzliche Feinstaub- belastung durch die Osterfeuer ausfällt, hängt be- sonders von den meteorologischen Bedingungen ab. So kann bei Windstille und/oder einer Inver- sionswetterlage (warme Luftschichten liegen über Ostern 2022 Ostern 2022 war noch geprägt durch die COVID- 19-Pandemie: Es durften im Gegensatz zu den beiden Vorjahren wieder öffentliche Osterfeuer stattfinden, jedoch wurden noch deutlich weniger öffentliche Osterfeuer angekündigt als vor der Pandemie. Die Wetterlage von Karsamstag zu Os- tersonntag 2022 war in der Nacht durch eine sehr burger Luftmessnetzes zu bestimmten Fragestel- lungen gesonderte Auswertungen. So ist in 2022 erstmals ein spezieller Bericht zur Feinstaubbelas- tung rund um Ostern auf der Internetseite des HU publiziert worden. kalten Luftschichten und verhindern einen vertika- len Luftaustausch), wie wir sie im Frühjahr häufiger in Hamburg haben, praktisch eine große Dunstwol- ke über Hamburg liegen, die auch am folgenden Tag noch durch Brandgeruch wahrnehmbar ist. Wenn das Wetter dagegen stürmisch, regnerisch oder generell „ungemütlich“ ist, findet eine stärkere Luftbewegung statt und die zusätzliche Belastung durch die Osterfeuer wird schneller abtranspor- tiert und besser verdünnt. Hinzu kommt, dass bei schlechtem Wetter viele kleine, private Osterfeuer eher ausfallen. stabile Luftschichtung geprägt (Inversionswetter- lage), wobei die höheren Luftschichten wärmer waren als die unteren, bodennahen Schichten. Der Wind nahm während der Nacht ab und kam dabei vorwiegend aus östlichen Richtungen. Somit lag eine austauscharme Wetterlage vor, die erhöhte Konzentrationen von Feinstaub-PM10 begünstigt. 42 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

Das Diagramm zeigt die Feinstaub-PM10 Belas- tung an Hintergrund-Stationen des Hamburger Luftmessnetzes als Stundenmittelwerte über den Zeitraum Karsamstag bis Ostermontag. Zu er- kennen ist eine kurzzeitige Belastung, die für eini- ge Stunden auch oberhalb von 50 µg/m³ lag und sich insbesondere in den Nachtstunden bis hin zum Sonntagmorgen erstreckte. Dennoch wurde an keiner Messstation der über einen vollständi- gen Kalendertag ermittelte Tagesmittelwert von 50 µg/m³ überschritten. U M W E LT 250 200 ] ³ m / g µ [ n o i t a r t n e z n o K 0 1 M P - b u a t s n e F i 150 100 50 0 Sternschanze Wilhelmsburg Altona/Elbhang Flughafen Finkenwerder 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 Sonnabend Ostersonntag Ostermontag Berichte zu Ostern und Silvester Der komplette Bericht inklusive einer vergleichen- den Auswertung für die letzten acht Jahre findet sich auf der Internetseite des HU. Weitere Publika- tionen jeweils nach Silvester (Feuerwerk) und Ostern sind geplant. Weitere Informationen: https://www.hamburg.de/hu/luftuntersuchungen/ Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 43 © Bild HU, Graffiti: http://www.wandgestalten.de

H U I N Z A H L E N Beschäftigte (Stichtag 31.12.2022) Anzahl nach Altersgruppen Summe der Beschäftigten Altersgruppe bis 30 Altersgruppe 31 bis 40 Altersgruppe 41 bis 50 Altersgruppe 51 bis 60 Altersgruppe 61 und älter Durchschnittsalter Beschäftigungsumfang Vollzeitbeschäftigte Teilzeitbeschäftigte m 125 9 23 28 48 17 49 m 108 17 w Gesamt 194 21 42 30 68 33 48 319 30 65 58 116 50 48 w Gesamt 110 84 218 101 ALTER 16% 10% 36% 20% 18% Altersgruppe bis 30 Jahre Altersgruppe 31 bis 40 Jahre Altersgruppe 41 bis 50 Jahre Altersgruppe 51 bis 60 Jahre Altersgruppe 61 Jahre und älter GESCHLECHT BESCHÄFTIGUNGSUMFANG 39% 61% 68% 32% männlich weiblich Vollzeitbeschäftigte Teilzeitbeschäftigte 44 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

Ausbildungszahlen im Jahr 2022 H U I N Z A H L E N 2. Staatsexamen Lebensmittelchemiker:in 16 Ausbildung Chemielaborant:in AzVa - Auszubildende Verwaltungsfachangestellte 2 3 BTA-Praktikum (Biologisch-Technische-Assistenz) 8 FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr) 1 Fortbildungen für Hygienefachkräfte 25 Hygieneschulungen in Gesundheitseinrichtungen Kurse für Hygienebeauftragte RIA - Regierungsinspektoranwärter:in 1 Sonstige Praktika 21 TRGS-Lehrgänge (Technische Regeln für Gefahrstoffe) 8 129 102 Ausbildungsart Teilnehmer:innen 2. Staatsexamen Lebensmittelchemiker:in Ausbildung Chemielaborant:in AzVa - Auszubildende Verwaltungsfachangestellte BTA - Praktikum - Biologisch-Technische-Assistenz FÖJ - Freiwilliges ökologisches Jahr Fortbildungen für Hygienefachkräfte Hygieneschulungen in Gesundheitseinrichtungen Kurse für Hygienebeauftragte RIA - Regierungsinspektoranwärter:in Sonstige Praktika TRGS-Lehrgänge - Technische Regeln für Gefahrstoffe 16 2 (Start 2021) 3 8 1 25 129 102 1 21 8 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 45

H U I N Z A H L E N Probenzahlen und Untersuchungsparameter (Auszug) Auftraggeber Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) (unter anderem Analyse von Lebensmitteln und Bedarfs- gegenständen aus Import, Produktion und Handel) Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) (unter anderem medizinische Proben zur Bestimmung von Krankheitserregern) Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) (unter anderem Wasser-, Luft- und Bodenproben zur Bestim- mung von Schadstoffen in Umweltmedien) Probenzahlen Untersuchungs- parameter 17 851 286.916 35 588 90.084 6.378 487.202 Dies sind die Probenzahlen und Untersuchungsparameter für die aufgeführten Behörden. Zusätzlich übernimmt das HU Aufgaben im Rahmen der Norddeutschen Kooperation sowie für weitere private und behördliche Auftraggeber. Probenzahlen 6.378 17.851 35.588 Untersuchungsparameter 487.202 286.916 90.084 Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) 46 Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022

H U I N Z A H L E N Weitere Leistungen (Auszug) Art der Leistung Tierkörpersammlung (eingesammelte Tierkadaver) Exportzertifikate (für den Export von Kosmetik- und Lebensmitteln und Lebensmit- telbedarfsgegenständen) Kontrollmaßnahmen bei Begasungen (Desinfektion von Containern) Schädlingsbekämpfung – Kleinungeziefer, Nager Hygiene- und Gesundheitskontrollen auf Schiffen und Flugzeugen Hygienekonzepte COVID-19 (wie Hygienepläne, Checklisten, Stellungnahmen) Einzelberatungen COVID-19 Untersuchung von COVID-19 Ausbruchsgeschehen mittels NGS Reisemedizinische Impfungen und Impfberatungen Messstationen im Wassergütemessnetz (WGMN) Messstationen im Luftmessnetz (HALM) Messstationen der Luftqualität (Flughafen) Organisation von bundesweiten Ringversuchen Anzahl 489 3.992 3.156 4.220 7.615 369 2.462 171 10.149 10 12 3 4 Darüber hinaus bedient das HU weitere private und behördliche Auftraggeber wie Schwimmbäder (Wasseranalysen), Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten (Hygiene-, Diagnostik- und Beratungsleistungen) und erfüllt Dienstleistungen für Krankenhäuser und Gemeinschaftseinrichtungen. Institut für Hygiene und Umwelt - Jahresbericht 2022 47

IMPRESSUM Herausgeber: Geschäftsführer: Wissenschaftlicher Sprecher und stellv. Geschäftsführer: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft Institut für Hygiene und Umwelt Marckmannstr. 129a/b 20539 Hamburg Tel. 040 42845-77 E-Mail: InfoHU@hu.hamburg.de Internet: www.hamburg.de/hu Dr. Ansgar Ferner Tel. 040 42845-7276 E-Mail: ansgar.ferner@hu.hamburg.de Jochen Riehle Tel. 040 42845-7355 E-Mail: jochen.riehle@hu.hamburg.de Pressestelle und Redaktionsleitung: Sinje Lehmann Tel. 040 42845-7304 E-Mail: pressestelle@hu.hamburg.de Redaktionsteam (alphabetisch): Gestaltung/Satz: Veröffentlichung: Bildnachweise: Februar 2023 Sofia Ackermann, Dr. Matthias Boldt, Dr. Silja Bühler, Dr. Philip Busch, Dr. Martin Dirksen-Fischer, Lena Ehlers, Dr. Kim Feldmann, Dr. Ansgar Ferner, Dr. Merike Fiedler, Petra Grauer, Dr. Lena Heinbockel, Dr. Anke Himmelreich, Dr. Natalie Kim, Dr. Anselm Lehmacher, Sinje Lehmann, Anna Logemann, Dr. Arne Martensen, Arne Mohring, Dr. Gabriele Näumann, Dr. Eva Prinzenberg, Dr. Michael Radke, Dr. Regine Redelstein, Jochen Riehle, Dr. Christian Schäfers, Carolin Sühl, Kirsten Vietzke, Dr. Stefan Weiß, Prof. Dr. Andreas Wille. Anke Ebert e-Paper und kostenloser Download unter: www.hamburg.de/hu/presse-und-publikationen © Institut für Hygiene und Umwelt (HU) oder Angaben direkt am Bild. Ausnahme: Die Bilder auf dem Titel und im Inhalts verzeichnis. Sie wurden im Heft nochmals verwendet. Der Hinweis zum Nachweis findet sich ggf. dort.