VIELFALT Leben 12/2024
FOTOS: VICTOR/UNSPLASH (L.S.), STEVEN HABERLANDT (R.S.) Interview Marko Lohmann ist Vorstand und hauptamtlicher Geschäftsführer der gemeinnüt- zigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille EG. Ein Gespräch über gutes Wohnen ◗ Interview: Markus Gölzer „Gemeinwohlorientiert statt eigennützig“ 6 | BAUGENOSSENSCHAFT BERGEDORF-BILLE EG zig nur für sich selbst – das macht mir großen Spaß. Deswegen bin ich lieber in unserer Unternehmensform tätig als in einem Unternehmen, wo es nur darum geht: Du musst bestimmte Umsatzziele oder Gewinnziele erreichen. Der Mensch im Mittelpunkt – das zeichnet die Arbeit hier aus und das motiviert mich immer wieder aufs Neue. Natürlich ist es nie zu Ende. Die Bedarfe der Menschen entwi- ckeln sich weiter, wie man am Beispiel der Inklusion sieht. Vor 15 Jahren haben wir vielleicht gesagt: Toll, dass wir das haben. Tatsächlich müssen wir es immer weiter vorantreiben, denn es war nur ein Anfang. Was läuft in der Wohnungspolitik in Hamburg gut? Vor zwölf Jahren wurde erkannt, das Wohnen nicht von alleine funktioniert, ? Herr Lohmann, wodurch zeichnet sich gutes Wohnen aus? Bedeutet Wohnen nur eine Wohnung zu haben oder mehr? Marko Lohmann: Das bedeutet mit Sicher- heit mehr. Es soll nach den Maßstäben unserer Mitglieder eine gute Qualität haben. Es sollte bezahlbar sein. Es sollte für die vielfältigen Situationen des Lebens vorhalten. Deswegen berücksichtigen wir Aspekte wie lebenslanges Wohnen. Deshalb werden wir mit einem breiter werdenden Angebot die Inklusion weiter stärken. Wie wohnen Menschen mit Behinde- rungen und ältere Menschen in Wohnun- gen Ihrer Baugenossenschaft? Wir bauen nicht nur bedarfsgerechte Woh- nungen. Wir gehen Kooperationen mit Trägern ein, die sich ergänzend um diese besonderen Bedarfe kümmern. Wir haben mit dem Verein „Leben mit Behinderung“ schon zwei Wohnprojekte realisiert. Wir haben mit dem Träger „Sozialkontor“ einen Neubau fertiggestellt mit einer Wohnprojektgruppe für Menschen, die eine Behinderung wegen eines Unfalls oder Ähnlichem erworben haben. Und wir planen ein Wohnprojekt mit der Stiftung „Das Rauhe Haus“, das in zwei, drei Jahren hoffentlich fertig werden wird. Die Idee ist, dass diese Angebote auch ins Quartier ausstrahlen. Dass Begegnungen leichter werden. Dass Gemeinschaftsräume von verschiedenen Zielgruppen gemeinsam genutzt werden. Unser Verständnis von Inklusion geht darüber hinaus, dass es für einzelne Zielgruppen besondere Wohnan- gebote gibt. Was heißt eigentlich Inklusion? Wie weitgehend ist das? Wie tiefgehend wird das gelebt? Wie schaffen wir es, nicht nur ein inklusives Haus zu haben, sondern zu inklusive Quartieren zu kommen? Das ist eine andere Qualität des Miteinanders. Was treibt Sie als Vorstand und haupt- amtlicher Geschäftsführer an? Sie haben vielleicht schon bemerkt, dass ich begeistert bin von dieser Unternehmens- form. Gemeinwohlorientiert statt eigennüt- entwickelt. Die Idee: Vorschriften so runter, dass immer noch ordentlich und gut gebaut wird. Damit überhaupt wieder gebaut wird. Dank dieses einfachen Bauens wird es in Hamburg ein bisschen schneller gelingen, wieder aus diesem Tal rauszukommen. Ein zweites Beispiel: Hamburg verfolgt unter anderem die Strategie, dass man hier vernünftig alt werden kann. Deshalb sollte über verschiedene Wohnformen nach gedacht werden. Wir wollen mit unseren Neubauten mehr ausprobieren. Beispiels- weise verstärkt Demenzgemeinschaften einrichten. Wer will schon in ein Pflege- heim ziehen? Aber allein in der Wohnung geht vielleicht auch nicht immer. Wo ist die Nische dazwischen? Da eben mal zu gucken, wo können wir in den einzelnen Quartieren unseren Beitrag leisten – das finde ich eine gute Strategie für Hamburg. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie noch neben dem Preisdruck? Trotz Preisdruck die Ziele der Inklusion zu erfüllen ist das eine. Auf der anderen Seite steht das in einem großen Konkurrenz- kampf mit der Frage: Wie erreichen wir die Klimaziele? Das kostet viel Geld. Wir kommen jetzt in das Dilemma, das wir uns nicht beides leisten können. Wir können nicht irre viel in Häuser und Quartiere stecken, damit wir ohne fossile Energien heizen können und gleichzeitig volle Pulle weiter bauen. Wir können jeden Euro nur einmal investieren. Mir gefällt nicht, dass die Themen gegeneinander ausgespielt werden. Aber zaubern können wir auch nicht. Wir müssen Schwerpunkte setzen. Das ist leider im Moment erforderlich. www.bergedorf-bille.de Die Bedarfe der Menschen entwickeln sich weiter, wie man am Beispiel der Inklusion sieht Marko Lohmann „ „Es sollte bezahlbar sein“: Marko Lohmann sondern dass das besser gelingt, wenn viele gemeinsam an einem Strang ziehen. Deshalb hat der Senat mit den Verbänden der Wohnungswirtschaft und den Bezirken das Bündnis für das Wohnen ausgerufen. Das hat dazu geführt, dass deutlich mehr gebaut wurde. Jetzt stecken wir mitten in einer deutschlandweiten Baukrise. Hamburg kann es mit dem Bündnis ein wenig besser machen und sagt: Lasst uns mal ganz ordentlich und detailliert gucken. Wo hakt es? Was können wir an den Vorschriften ändern, die gerade dem Bauen im Weg stehen, die das zu teuer gemacht haben? Besonders Genossenschaften für bezahlbares Wohnen wie wir könnten nicht bauen im Moment. Diese Preise könnten unsere Mitglieder nicht bezahlen. Jetzt wird ein sogenannter Hamburger Standard BAUGENOSSENSCHAFT BERGEDORF-BILLE EG | 7
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