VIELFALT Leben 12/2024
Karen Pein ist Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg Interview Wohnraum gibt es in Hamburg stets zu wenig. Heißt auch: Zu wenig Wohnraum, den man perspektivisch barrierefrei ausbauen könnte. Ein Gespräch mit Karen Pein, Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) ◗ Interview: Paula Budnik „Wir benötigen weiterhin eine rege Neubau- tätigkeit“ Baukosten so senken können, dass auch bezahlbare Mieten möglich sind. Zudem haben wir unsere Wohnraumförderung enorm verstärkt, sodass der soziale Wohnungsbau mit Mieten von 7,10 Euro, 9,20 Euro und 12,10 Euro weiterhin gebaut wird und den Wohnungsmarkt gerade für die Haushalte mit geringem Einkommen entspannt. Außerdem haben wir im Senat gerade die Neufassung der Hamburgischen Bauordnung mit zahlreichen praxisnahen Anpassungen auf den Weg gebracht. Erleichterungen bei Dachausbauten, Gebäudeaufstockungen und Umnutzungen von Gewerbeflächen in Wohnraum sowie die Genehmigungsfreiheit für kleinere Wohngebäude sind konkrete Schritte, die Bauvorhaben vereinfachen und dadurch letztlich vergünstigen. Fakt ist auch: Die Menschen hier werden immer älter, und die meisten Behinderungen werden im Alter erwor- normalen und gewünschten Umzugsbewe- gungen zu ermöglichen, also wenn man zum Beispiel Familienzuwachs hat und sich vergrößern will oder durch Arbeitsplatz- wechsel auch den Wohnort ändern möchte. Wir benötigen also weiterhin eine rege Neubautätigkeit. Und wie stellt sich Ihre Behörde auf, um sie zu meistern? Wir haben im Frühjahr die „Initiative kostenreduziertes Bauen“ ins Leben gerufen, in der wir mit circa 150 Vertrete- rinnen und Vertretern aus allen Bereichen des Wohnungsbaus gezielt Maßnahmen suchen, um die Baukosten zu senken. Dabei haben wir uns vor allem auf die Themenfelder der Überprüfung von Baustandards, der Optimierung von Baumanagement und Planung sowie der Beschleunigung von Genehmigungsverfah- ren konzentriert und sind ganz optimis- tisch, hier zu Jahresbeginn sehr konkrete Vorschläge machen zu können, wie wir die ? Frau Pein, der Hamburger Woh- nungsmarkt stellt Sie als Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen vor reichlich Herausforde- rungen. Welche sind aktuell die größten? Karen Pein: Die größte Herausforderung sehe ich in der aktuell durch die zu hohen Baukosten gehemmte Neubautätigkeit kombiniert mit dem sehr geringen Woh- nungsleerstand. Im Durchschnitt kostet es derzeit rund 4.500 Euro ohne Grundstück, einen Quadratmeter Wohnfläche zu bauen. Das entspricht einer Miete von 18 Euro pro Quadratmeter und das ist viel zu hoch. Deshalb stellen gerade viele Investoren ihre Bauvorhaben zurück. Gleichzeitig haben wir eine sehr geringe Leerstandsquote, also wenige freie Wohnungen im Angebot. Diese sind aber erforderlich, um die ganz Wir befinden uns in der wahrscheinlich größten Baukrise der Neuzeit Karen Pein „ 4 | KAREN PEIN FOTO: JAN-NIKLAS PRIES/SENATSKANZLEI HAMBURG In der Langfrist- perspektive wünsche ich mir, dass die großen Stadtteil- und Quartiersentwick- lungen zu einer Heimat für viele Hamburgerinnen und Hamburgern geworden sind Karen Pein „ Und noch ein weiterer Blick in die Zukunft: Welche Vision haben Sie bezogen auf die Stadtentwicklung und das Wohnen in Hamburg, wenn Sie an das Jahr 2040 denken? Aktuell ist mein Fokus auf einen hoffent- lich kürzeren Zeitraum ausgerichtet: befinden uns in der wahrscheinlich größten Baukrise der Neuzeit, die wir bewältigen müssen, um Hamburg so lebenswert zu halten, wie es ist. In der Langfristperspektive wünsche ich mir, dass die großen Stadtteil- und Quartiers- entwicklungen, die aktuell „nur“ auf dem Papier stehen, wie Oberbillwerder, der Grasbrook oder die neuen Quartiere in der Wilhelmsburger Mitte zu einer Heimat für viele Hamburgerinnen und Hambur- gern geworden sind. www.hamburg.de/bsw errichtet werden. Daneben setzen wir auf eine altersgerechte Quartiersentwicklung, zum Beispiel durch den Ansatz „Lebendige Nachbarschaften“ – kurz: LeNa –, ein von der SAGA entwickeltes Wohn- und Betreuungskonzept, das lebenslanges Wohnen in aktiven Nachbarschaften ermöglicht. Es bietet selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Mietwohnung, Versorgungssicherheit durch vor Ort flexibel abrufbare Dienstleistungen und ein unterstützendes nachbarschaftliches Miteinander. Welche konkreten Ziele haben Sie für diese Amtszeit, was inklusives Wohnen in Hamburg betrifft? Die Amtszeit endet im März 2025. Bis dahin möchte ich die Novelle der Hambur- gischen Bauordnung beschlossen wissen, denn damit wird sich zukünftig die Anzahl barrierefreier Wohnungen deutlich erhöhen. ben. Wie stellen Sie den Bedarf an barrierefreiemWohnraum fest – und was tun Sie, um ihn anbieten zu können? Die Themen Inklusion und Barrierefreiheit sind wichtig und für alle Lebensbereiche relevant. Hierzu sind wir auf unterschied- lichen Ebenen aktiv. Zunächst werden wir mit der neuen Bauordnung den Anteil von barrierefrei erreichbaren und nutzbaren Wohnungen im Neubau erhöhen, sodass künftig etwa jede dritte Neubauwohnung diesen Anforderungen genügen wird. Darüber hinaus ist die Förderung der Errichtung altersfreundlicher Wohnungen eine Daueraufgabe der Hamburger Wohn- raumförderung. Für den Neubau und die Modernisierung von altersfreund lichem Wohnraum stellen wir umfassend Fördermittel zur Verfügung. Das hat unter anderem zur Folge, dass schon seit knapp zehn Jahren nahezu alle Sozialwohnungen in Hamburg mindestens barrierereduziert KAREN PEIN | 5
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