VIELFALT Leben 12/2024
Katrin Brandt, Geschäftsführung Stattbau Hamburg GmbH Interview Katrin Brandt ist Geschäftsführerin der Stattbau Hamburg GmbH, die sich als „BaubetreuerIn“ versteht. Was genau das bedeutet: ein Gespräch ◗ Interview: Erik Brandt-Höge Bau-Hilfe von A bis Z unsere Hilfe anbieten. Das sind Leute, die gemeinsam etwas wollen, aber keine Bauprofis sind. Bauen ist sehr kompliziert: Man muss viel wissen – da geht es um Baurecht, Grundstücke, Erbbaurechte, Finanzierung, Förderung, Projekt steuerung, Auftragsverhandlungen, Abstimmungen zwischen verschiedenen Planungsbeteiligten, Versicherungen, Nachbarschaftsrechte, Normen und Vorschriften und so weiter. Die Liste ist endlos und wird von Jahr zu Jahr komple xer. Wir helfen unseren BauherrInnen von der Konzeptfindung bis zur Schlüsselüber gabe durch diesen ganzen Prozess. Dabei ist es uns wichtig, die Interessen unserer AuftraggeberInnen in jedem Schritt zu vertreten und zu wahren. Das heißt für mich, sie zu ermächtigen, Entscheidungen kompetent treffen zu können, aber ihnen alles andere weitestgehend abzunehmen. Welche Personengruppen profitieren von Ihrer Arbeit – und wie genau? Unser Schwerpunkt liegt bei Wohnprojek ten und bei gemeinwohlorientierten Organisationen. Im allergrößten Teil kümmern wir uns dabei um Wohnungs bauthemen. Unsere AuftraggeberInnen sind zum einen Baugemeinschaften. Das sind Wohnprojekte. In Hamburg werden diese sehr gefördert und sollen zum ? Katrin Brandt, laut Selbstbe- schreibung auf Ihrer Homepage versteht sich die Stattbau Hamburg GmbH als „Mittlerin und Unterstützerin für Baugemeinschaf- ten und für gemeinwohlorientierte Träger, Institutionen und Initiativen bei der Umsetzung von hauptsäch- lich gefördertem Wohnungsbau und gemeinwohlorientierten Projekten“. Was bedeutet das konkret? Katrin Brandt: Wir nennen uns Baube treuerIn, weil wir für Menschen, Gruppen und Organisationen, die bauen wollen, FOTOS: STATTBAU 12 | STATTBAU HAMBURG GMBH Schlüsselbund eG gebaut haben. Diese Genossenschaft wurde von fast 30 sozialen Trägern gegründet, um für vordringlich Wohnungssuchende – also Menschen, die wohnungslos sind oder von Wohnungs- losigkeit bedroht sind – Wohnungen zu bauen. Das war ein sehr ehrgeiziges, schwieriges Projekt und seit Ende letzten Jahres ist das erste Haus mit 30 Wohnun- gen fertig. Beispielhaft ist auch das Projekt der Amalie Sieveking-Stiftung, die ihren sehr schönen denkmalgeschützten Wohnungsbestand in St. Georg saniert und barrierefrei umge- baut und noch durch einen Neubau mit geförderten Wohnungen ergänzt hat. Und mal ganz allgemein gefragt: Was sind Hamburgs Wohn-Perlen beziehungs- weise Wohn-Kostbarkeiten, auf die die Stadt stolz sein kann? Wohnperlen: Das sind ganz sicher die Hamburger Wohnstifte wie die Amalie Sieveking-Stiftung! Das ist ein Hamburger Schatz, den viele so gar nicht bewusst wahrnehmen. Es gibt in Hamburg eine wirklich jahrhundertelange Tradition von Wohnstiften. Manche sind ganz klein und bis zu 600 Jahre alt. Die meisten haben einen älteren Wohnungsbestand und oft den Stiftungszweck, armen, häufig auch alten Menschen günstig Wohnraum zu vermieten. Viele dieser Stiftungen sind der- zeit sehr gefordert, weil sie ihrem Bestand barrierefrei umbauen und energetisch ertüchtigen müssen. Es hat sich seit 2019 das Hamburger Bündnis für Wohnstifte gegründet, das für alle diese Stiftungen eine Art Interessenverband bilden will und sie bei dieser Mammutaufgabe unterstützt. Ich finde wirklich, Hamburg hat mit seinen Stiftungen, seinen vielen Genossenschaften und den Baugemeinschaften eine beson- ders große und verschiedenartige zivilge- sellschaftliche Wohnungsszene! Quartiere werden häufig als inklusiv bezeichnet. Aber: Was zeichnet ein Beispiel in allen Neubaugebieten bis zu 20 Prozent der Baugrundstücke erhalten. Es gibt sie in verschiedenen Eigentums formen, wir fühlen uns allerdings dem gemeinschaftlichen und sozialen Bauen verpflichtet und betreuen deshalb aktuell nur Baugemeinschaften, die genossen- schaftlich oder im Mietshäusersyndikats- modell bauen wollen. Die meisten bauen dabei auch noch im geförderten, umgangs- sprachlich „sozialen“ Wohnungsbau. Unser zweites großes Standbein sind die gemein- wohlorientierten Organisationen, das sind Stiftungen, Träger in der Eingliederungs-, beziehungsweise Behinderten-, Jugend- und Altenhilfe und andere Initiativen und Organisationen. Meist geht es dabei eben- falls um geförderten Mietwohnungsbau, obwohl wir auch schon das eine oder andere Kulturprojekt unterstützt haben. Können Sie ein beispielhaftes Projekt nennen, das Sie umgesetzt haben? Das ist wirklich schwierig, da eine Auswahl zu treffen. Wir haben zum Beispiel ein kleingenossenschaftliches Wohnprojekt in Wilhelmsburg betreut: die Waarderlüüd. Das ist ein tolles Haus geworden, in dem vor allem junge Familien zusammenwoh- nen. Insgesamt wohnen da über 50 Kinder! Toll finde ich auch einen Neubau, den wir mit der gemeinnützigen Genossenschaft Quartier wirklich aus, das Inklusion und ein selbstbestimmtes Wohnen und Leben vorbildlich ermöglicht? Bei inklusiven Quartieren denken die meis- ten wahrscheinlich erst einmal tatsächlich an bauliche Barrierefreiheit, also abgesenkte Schwellen, taktile und lesbare Wegeführun- gen für Blinde und Sehbehinderte, Auf- züge, akustische Ampeln, et cetera. Da hat sich in Hamburg sehr viel getan und es gibt da eine Menge gute Beispiele. Aber für mich heißt Inklusion, dass das Quartier wirklich für alle funktioniert und keinen ausschließt. Dazu gehören dann auch die Angebote, dass die BewohnerInnen das, was sie brauchen und wünschen, alle auch in ihrer Nachbarschaft finden können, dass sie den öffentlichen Raum gut nutzen können und egal, ob alt oder jung, im Rollstuhl oder hörbehindert, frei und selbstbewusst darin agieren können. Kleiner Ausblick zum Schluss: Welche Projekte haben Sie für die nahe und ferne Zukunft geplant? Bauen ist ja aktuell nicht leicht, viele Projekte brauchen jetzt für die Finanzie- rung ein wenig mehr Anlaufzeit. In den letzten Jahren haben wir viel neu gebaut, jetzt werden wir viel mehr sanieren und umbauen, da gibt es so viel zu tun. Konkrete Projekte haben wir natürlich auch: Die Genossenschaft Schlüsselbund steht kurz davor, ein zweites Haus zu realisieren, in den städtischen Entwick- lungsgebieten möchten wir viele Bauge- meinschaften realisieren, sehr konkret in Wilhelmsburg im Rathausviertel und im Elbinselquartier. Wir hoffen, dort auch auf ein Stiftsviertel, mit dem an die gute Hamburger Geschichte angeknüpft werden könnte. Wenn das zustande kommt und wir dabei die eine oder andere Stiftung begleiten können, würden wir uns sehr freuen. www.stattbau-hamburg.de Wir helfen unseren BauherrInnen von der Konzeptfindung bis zur Schlüsselübergabe durch diesen ganzen Prozess Katrin Brandt „ Ein Stattbau- Projekt: die Amalie Sieveking- Stiftung, Sanierung und Neubau, Fertigstellung 2022 STATTBAU HAMBURG GMBH | 13
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