VIELFALT Leben 06/2024
Stand der Dinge Deutschland hat die UN-Behindertenrechts- konvention unterzeichnet, die unter anderem Menschen mit Behinderung mehr politische Teilhabe ermöglichen soll. Dass dieser Weg auch 2024 noch weit ist, zeigt das Beispiel David Laaser, der sich politisch engagiert und trotzdem weiß, dass das Ziel noch lange nicht erreicht ist ◗ Interview: Steffen Buchmann & Felix Willeke Auf dem Weg zu mehr politischer Teilhabe? politische Teilhabe ermöglicht werden. In Hamburg ist eines der Gremien, die diese Teilhabe aktiv fördern wollen, eben jener Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Dieser besteht aus 20 ständigen, stimmberechtigten Mitglie- dern. Sie werden jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode von der Senatskoordina- torin und der Hamburger Landesarbeits- gemeinschaft für behinderte Menschen e. V. vorgeschlagen und von der zuständi- gen Behörde bestellt. Einer der Menschen, die sich aktuell im Beirat ehrenamtlich engagieren, ist David Laaser. Laaser ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann und arbeitet seit 2007 in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung als Beschäftigter im Gartenbereich. Die Motivation für sein politisches Engage- ment kommt aus seinem Wunsch nach Veränderung: „Irgendwann war für mich dann klar, dass man auch politische Hebel in Bewegung setzen muss, um was zu verändern.“ Der Wunsch, Dinge für sich und andere Menschen mit Behinderung zu verändern, kam im Zuge seiner Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung. „Ich habe in dieser Zeit S eit März 2009 gilt auch für Deutsch- land die UN-Behindertenrechtskon- vention. Sie soll „den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschen- rechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen fördern, schützen und gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde fördern.“ Damit dies gelingt, fordert der Hamburger Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen: „Nichts über uns – ohne uns!“, und damit die aktive politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Eine Forderung, die auch die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke unterstützt. „Politische Teilhabe bedeutet: Ein Mensch gestaltet aktiv die Politik mit. Zum Beispiel als Mitglied einer Partei, Gewerkschaft, Bürgerinitiative oder Beirat. Durch die Teilnahme an einem Volksbegehren oder einem Streik. Oder ganz einfach: indem er wählen geht. Die Politische Teilhabe ist in der UN-Behindertenrechtskonvention in Artikel 29 verankert“, so die Behörde. Es sollen demnach mehr Menschen mit Behinderung in politische Prozesse einbezogen und ihnen damit auch eine beobachtet, was dort passiert beziehungs- weise was auch nicht oder zu wenig passiert“, sagt er. Dabei gehe es ihm um Dinge wie Barrierefreiheit, das Thema Leichte Sprache und die allgemeine Wirksamkeit der Arbeit von Meschen mit Behinderung. Denn diese müsse laut Laaser die entsprechende Anerkennung finden. Anerkennung reicht für den gelernten Einzelhandelskaufmann dabei von der Zugänglichkeit des Arbeitsplatzes bis hin zum Lohn. Für Laaser ist seine Behinderung im politischen Engagement für Menschen mit Behinderung auch ein Vorteil. Denn „oft sind Menschen, die politisch aktiv sind, 8 | DAVID LAASER David Laaser engagiert sich im Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sein. Das beinhaltet beispielsweise eine bessere Bezahlung, aber auch eine umfassende Barrierefreiheit. Wenn dies gewährleitet sei, könnten „die Werkstätten theoretisch jeden Menschen mit Behinde- rung aufnehmen und dieser muss sich am Ende nur entscheiden, ob er Werkstatt A, B oder C nimmt. Aber aktuell muss man als Mensch mit Behinderung überhaupt erst mal schauen: Würde meine Behinde- rung überhaupt in der Werkstatt funktio- nieren?“, erläutert David Laaser die aktuelle Situation. Doch für das Erreichen der Ziele braucht es eben jenes politische Engage- ment wie das der Mitglieder des Landes- beirats zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Neben seiner Arbeit für den Landesbeirat hat David Laaser mit drei anderen „Die Kämpfer von Hamburg“ ins Leben gerufen. Gemeinsam setzen sie sich für Inklusion, Barrierefreiheit, Teilhabe und Leichte Sprache ein. Doch darüber hinaus „bleibt die Gruppe von Menschen, die etwas verändern will, oft sehr klein“, sagt Laaser. Der Grund sei zum einen, „dass per se die Bedrohungslage für Menschen mit Behinderung hierzulande nicht zu hoch ist. Man lebt relativ sicher“, so Laaser. Darüber hinaus spiele für ihn auch die persönliche Prägung eine Rolle: „Etwa, ob du schon früh Dinge zugetraut bekommen hast, auch wenn du beispiels- weise blind bist.“ Denn dann habe die Person „schon einen anderen Background und ist mutiger als jemand, dem immer gesagt wurde: Du bist das und jenes, du kannst das nicht.“ Bis zur nächsten Bürgerschaftswahl 2025 ist er noch Teil des Gremiums und versucht weiter mit politischen Verant- wortlichen ins Gespräch zu kommen und auf ihre Belange aufmerksam zu machen, wie es im Fall des Themas Bauen und Wohnen auch schon gelungen ist. Doch für die Zukunft wünscht sich Laaser, „dass der Landesbeirat noch zielstrebiger in seinen Forderungen wird“ und dass zukünftig „Menschen mit Behinderung direkt mit in den Prozessen sitzen“. Sodass beispielsweise im Hausbau auch Menschen mit Behinderungen schon im Vorfeld beratend tätig werden, und dadurch nicht im Nachgang noch reagiert werden muss. hamburg.de/landesbeirat-zur-teilhabe-von- menschen-mit-behinderungen selbst nur Betreuer und können es nur beobach- ten. Ich als Betroffener habe da eine ganz andere Perspektive, weil ich es direkt erlebe.“ Ein Ziel seines Engagements ist es, die Arbeit in Werk- stätten für Menschen mit Behinderung besser möglich zu machen. Die Werkstätten sollen nach Laaser ein Ort werden, an dem alle Menschen mit Behinderung gerne arbeiten, wenn sie es wollen. „Es ist ja nicht per se schlecht, auch dauerhaft in einer Werkstatt bleiben zu können. Es sollte am Ende aber in der Hand des Menschen mit Behinderung liegen zu entscheiden, ob er lieber in der Werkstatt bleiben möchte oder etwas anderes ausprobieren will.“ Und dafür müsste die Arbeit in den Werkstätten laut Laaser flächendeckend attraktiv FOTO: ERIK BRANDT-HÖGE DAVID LAASER | 9
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