VIELFALT Leben 06/2024

„Ich werde auf jeden Fall wählen gehen“ Interview Michaela Jörn hat eine Lernbe- hinderung und durfte deswegen, wie 80.000 weitere Menschen, bis 2019 nicht wählen gehen. Ein Gespräch über den langen Weg zur Wahlurne ◗ Interview: Paula Budnik ? Michaela Jörn, seit 2019 dürfen Sie, zusammen mit 80.000 anderen Menschen, die zuvor vomWählen ausgeschlossen waren, wählen gehen. Wie erklären Sie sich, dass dies so lange nicht möglich war? Michaela Jörn: Ich glaube, die haben gedacht, dass wir uns nicht auskennen. Es wurde uns Menschen mit Behinderung einfach nicht zugetraut. … und wie war es dann, das erste Mal wählen zu gehen? Gut! Aber natürlich ist es nicht immer ganz einfach, weil die Sprache häufig schwierig zu verstehen ist. Dafür kann man jedoch Briefwahl beantragen. In gesonderten Fällen ist das dann mit vereinfachter Sprache. Seit einiger Zeit dürfen Sie außerdem, sofern notwendig, Hilfe von anderen Menschen beimWählen entgegenneh- men. Wie sieht diese Hilfe im Einzelfall aus? Erst mal ist es toll, dass es diese Hilfe gibt. Es sind Betreuer vor Ort, die Menschen mit Behinderungen alles erklären. Das macht vieles einfacher. Ich brauche zum Beispiel Unterstützung dabei, mich über die Parteien im Vorwege zu informieren. Insbesondere Texte aus der Politik sind in dem Sinne nicht barrierefrei, da eine ▶ „Wenn jemand Hilfe benötigt, würde ich immer helfen“: Michaela Jörn Ich glaube, die haben gedacht, dass wir uns nicht auskennen Michaela Jörn „ 10 | MICHAELA JÖRN FOTOS: VERENA LÜCK (L.S.), NEW AFRICA/ADOBE STOCK (R.S.) Das Wahlrecht war lange Zeit nicht für alle selbstverständlich MICHAELA JÖRN | 11

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