Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Hamburg macht Schule 10 2011

Schulversuch Alles»könner

Hamburg macht Schule 3|2011 43 BSB-Info gruppe der Schule. »So können wir dafür sorgen, dass Maßnahmen in die Fläche gehen«, betont sie. Denn das Schwie- rigste sei, das Neue verbindlich auf die ganze Schule zu übertragen. »Einzelne Mitstreiter finden sich immer, aber alle zu gewinnen, ist ein sehr langsamer Prozess.« Dabei wurden einige Unter- richtsmethoden schon zuvor angewandt – »man muss ja nicht immer wieder das Rad neu erfinden« – aber das besondere an »alles»könner« sei, wie konsequent sie sich an den Kompetenzen der Schü- ler orientieren. Die Kompetenzen, allge- mein bestimmt, müssen für die Unter- richtspraxis übersetzt werden. So wird aus einer »perspektivenübergreifenden Kompetenz« die Frage: Beschreibt das Kind Sachverhalte mit eigenen Worten und treffenden Begriffen. Neben schulinternen Teamsitzungen nehmen die »alles»könner« an schul- übergreifenden sogenannten Set-Tref- fen teil. Mit dabei sind auch Wissen- schaftler unterschiedlicher Fächer und Universitäten sowie Fortbildner vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Einmalig in seiner Zusammensetzung bedurfte es einer langsamen Annäherung im Set, um eine gemeinsame Sprache zu finden und den Graben zwischen Theorie und Praxis zu überwinden. Mittlerweile entwickeln Fachdidaktiker und Lehrer Hand in Hand Konzepte und Ideen für den Unterricht, Impulse aus der Wissen- schaft können sich direkt in den Schulen fortsetzen und umgekehrt. Die Schulen können sich untereinander austauschen und erfolgreiche Konzepte weitergeben. Nicht nur die Schüler, sondern auch Lehrkräfte brauchen als »alles»könner« individuelle Möglichkeiten sich weiter zu entwickeln. Am Gymnasium Ohmoor, ebenfalls ein »alles»könner«, zeigen Schüler der 8. Klasse, was es mit einer Schachtel alles auf sich haben kann. »Ich habe mich für eine Pyramide entschieden, weil mich Ägypten interessiert«, erzählt Dona. Aufgereiht stehen Pyramide, Huhn, Dampfer, Schloss, Turm und weitere Schachteln neben den Projektmappen. Darin hat jeder Schüler den Bauplan, Zeichnungen aus verschiedenen Per- spektiven und seine Überlegungen zum Projekt gesammelt. Sie konnten sich ihre Projektzeit frei einteilen, sich Rat und Hilfe am runden Tisch holen und mussten sich manchmal selbst Hausauf- gaben geben, »na weil ich sonst nicht fertig geworden wäre«, erklärt Alex auf Nachfrage. Mathematiklehrerin Dr. Anke Plum hörte vor drei Jahren von dem Schachtelprojekt, erhielt im alles»könner Set dann einige Materi- alien dazu und startete. »Zuerst hatte ich nicht einkalkuliert, dass alle gleich- zeitig etwas von mir wollen«, berichtet sie vom ersten Durchlauf. Sie optimierte das Projekt und konnte ihren Kollegen Alexander Stammen dafür gewinnen. Den begeisterte die neue Lernsituati- on: »Wir hatten viel Spaß und ich lernte die Schüler vor allem in Vier-Augen- Gesprächen anders kennen.« Bislang ist die Methode auf Projektarbeit be- schränkt. Deutschkollege Florian Zieger sam- melt besonders bei der Textarbeit mit Schülern gute Erfahrungen. Er verwen- det in seiner 8. Klasse einen Text, den er aus dem alles»könner Set von einem Wissenschaftler mitbrachte. Die Beson- derheit: Dem Text zugesellt ist eine Auf- schlüsselung in Teilkompetenzen. Nach diesen Kriterien schreiben die Schüler eine Zusammenfassung. »Entscheidend ist, dass ich auf Grund der Teilkompe- tenzen den Schülern eine kleinteilige Rückmeldung geben kann«, so Zieger. »Damit können sie gezielt an ihren Stär- ken und Schwächen weiterarbeiten.« Vor der Zusammenfassung hatten die Schüler in Kleingruppen den Text nach vorgegebenen Fragen analysiert und damit Kausalketten kennen gelernt, die sie ebenfalls in Geographie behandeln. Schulleiter Detlef Erdmann möchte mit »alles»könner« eine Kooperations- kultur unter den Lehrern entwickeln: »Wir müssen uns von traditionellen Lernformen verabschieden. Ein Lehrer wird zum Lernbegleiter und Coach, be- reit, im Team mit anderen zusammen zu arbeiten. Das heißt: Jeder Lehrer und je- der Fachbereich muss umdenken.« Da- für muss notwendigerweise der Unter- richt neu organisiert werden. Erdmann führte feste Teamzeiten für alle Fächer an Stelle großer allgemeiner Konfe- renzen ein. Neu sind auch sogenannte ESL-Workshops mit Eltern, Schüler und Schülern. Dort entwickelt sich im offe- nen Gespräch eine Feedback-Kultur mit neuen Rückmeldeformaten. Das Gymna- sium Ohmoor, das als Referenzschule verschiedene Fachsets leitet, ist eines von nur drei beteiligten Gymnasien bei dem Schulversuch. Projektleiterin Barbara Klüh ist mit dem Halbzeitergebnis zufrieden. Sie führte mit jeder »alles»könner«-Schule Zwischengespräche,umeinBildvomSta- tus quo zu gewinnen und neue Selbstver- pflichtungen einzuholen. Ihre Zukunfts- perspektive: »In einem nächsten Schritt ist es unser Ziel, eine »alles»könner«- Qualitätsmarke zu etablieren, die auch für andere Schulen erreichbar ist. Die entstandenen Lernarrangements und kompetenzorientierte Rückmeldungen, Zusammenarbeitsstrukturen und die Erfahrungen, wie man Unterrichtsent- wicklungsprozesse in Gang setzt werden eine gute Basis dafür sein. Die Qualitäts- entwicklung im Schulversuch soll sich auf andere Schulen übertragen und als Dauerprozess verstetigen. Das gebildete schulübergreifende Netzwerk soll auch nach Ende des Schulversuchs weiter bestehen.« Weitere Informationen zum Schulver- such finden Sie unter www. hamburg.de/alleskoenner. Silke Häusler silke.haeussler@t-online.de »Jeder Lehrer und Fachbereich muss umdenken«, Detlef Erdmann, Schulleiter Gymnasium Ohmoor