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Hamburg macht Schule 10 2011

Ein Blick in Hamburgs Vorbereitungsklassen

Hamburg macht Schule 3|2011 39 BSB-Info für die Vorbereitungsklassen sehr vor- teilhaft«, erklärt Nils Harringa, Schul- leiter der Grundschule St. Pauli. »Das System ist gut: ein Jahr knackige Vorbe- reitung und danach der Übergang in das normale Schulsystem.« Die Arbeit der Vorbereitungsklasse wird flankiert von integrativen Maßnahmen, wie Ausflügen und gemeinsamen Unterrichtsstunden mit den Regelklassen. Daisy und Martha sind vor drei Wochen aus dem englischen Bristol in die Hanse- stadt gezogen. Die neun- und zehnjähri- gen Schwestern besuchen seit einer Wo- che die Vorbereitungsklasse der Grund- schule, eine Station von ihrer Wohnung in der Neustadt entfernt. Daisy mochte die Idee nach Hamburg zu ziehen, wo ihr Vater für ein paar Jahre eine leitende Ma- nagementposition angenommen hat. Der erste Tag in der neuen Schule war »very strange«, denn sie verstand kein Wort. Nun lernen die Mädchen jeden Tag neue Wörter kennen und fühlen sich zuneh- mend wohl. Der einzige Wermutstropfen ist, dass sie ihren Cocker Spaniel »Poppy« bei der Grandma zurücklassen mussten. Die musikalische Daisy spielt Gitarre und Flöte und möchte später in einem Orches- ter spielen, während es Martha lieber sportlich mag, mit Skifahren, Schwim- men und Reiten. Tatjanahatesbereitsgeschafft.Dieheu- te 22-jährige war zehn, als sie mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester aus Russland nach Hamburg kam. Sie erin- nert sich an ihre VK 5/6 der Schule An der Seebek, wo die Verständigung zuerst nur mit Händen und Füßen klappte. »Ich bin den Lehrern heute noch sehr dankbar«, sagt sie. »Sie waren sehr einfühlsam und hatten viel Geduld mit uns.« Sie besuchte im Anschluss die Regelklasse 5, schaffte ihren Realschulabschluss und wechselte auf die Höhere Handelsschule H20, die sie mit der allgemeinen Fachhochschulreife abschloss.Zwischendurchhatsiegeheira- tet, einen Sohn und eine Tochter geboren. »Für mich war die Vorbereitungsklasse sehr hilfreich, so fühlte ich mich nicht so verlassen. Ich glaube, ich wäre sonst total verzweifelt,dassichdenStoffnichtverste- he. So war es einfacher, denn die anderen können die Sprache auch nicht: da müs- sen wir gemeinsam durch.« Für Tatjana schließt sich ein Kreis: Zurzeit absolviert sie im Schulinformationszentrum (SIZ) in der Hamburger Straße ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, genau dort, wo sie vor zwölf Jahren ohne ein Wort deutsch in eine Vorbereitungsklasse eingeschult worden war. Text und Fotos: Heidrun Zierahn Vorbereitungsklassen in Hamburg Das Schulinformationszentrum (SIZ) entscheidet in Abstimmung mit den Schulen, welche Sprachfördermaßnah- me ein zugewandertes Schulkind besu- chen soll. Die Einstufung erfolgt abhän- gig vom Alter, der schulischen Vorbil- dung im Herkunftsland und nach einer ersten Einschätzung des Leistungs- vermögens. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SIZ überprüfen dazu die Deutschkenntnisse, die Kenntnis der lateinischen Schriftzeichen, die Be- herrschung der Grundrechenarten und die Englischkenntnisse. Danach werden die acht- bis 15-jährigen Kinder und Ju- gendlichen einer Vorbereitungsklasse (VK) bzw. zur Alphabetisierung einer ABC-Klasse zugewiesen. Die Vorbereitungsklassen fassen jeweils zwei Jahrgangsstufen zusam- men. Sie beginnen in der Grundschule mit Kindern, die die dritte und vierte Klasse besuchen müssten (VK ¾). Jün- gere Schulkinder werden in die erste und zweite Regelklassen eingeschult und erhalten zusätzliche Sprach-För- derstunden. Je nach Alter und Eignung erfolgt die Einstufung in eine VK 5/6 bzw. VK 7/8. Die VK 9 und VK 10 berei- ten auf den Hauptschul- und den Re- alschulabschluss oder auf den Wechsel in die Oberstufe vor. Zusätzlich gibt es ein Gymnasium, das einzelne Vorberei- tungsklassen in den Jahrgangsstufen 5 – 8 anbietet. Die Kinder bleiben in der Regel für ein Jahr in den Vorbereitungsklassen und zwei Jahre in den ABC-Klassen. Im ersten halben Jahr, der Grundstufe, erhalten sie grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die eine ak- tive sprachliche Teilnahme am Alltag ermöglicht. Im zweiten Halbjahr, der Aufbaustufe, werden zunehmend auch bildungssprachliche und jahrgangsspe- zifische Fachkompetenzen aufgebaut. Nach Ablauf der vorgesehenen Zeit wechseln die Schüler in eine altersge- mäße Regelklasse und werden für ein weiteres Jahr mit Sprachfördermaßnah- men begleitet. In den Abschlussklassen und in Klassen, die auf den Übergang in die Oberstufe vorbereiten, kann die Förderung ein weiteres Jahr erfolgen. Statistik: Seit dem Schuljahr 2003/2004 wird der stete Zustrom in die ABC- und Vorbe- reitungsklassen der Hansestadt stati- stisch erfasst. Er beträgt zwischen 400 bis 650 neue Schüler jährlich. Am 17. Mai 2011 besuchten in Hamburg insge- samt 740 Schülerinnen und Schüler 49 ABC- oder Vorbereitungsklassen an 24 Schulstandorten. Die Schülerzahl setzt sich wie folgt zusammen: 109 in ABC- Klassen, 134 Acht- bis Zehnjährige in VK 3/4, 142 Elf- bis Dreizehnjährige in VK 5/6, 221 13–15-jährige in VK 7/8 und 134 15-jährige in VK 9/10. Die Klassengröße der ABC-Klassen beträgt im Schnitt 13,6 Schüler. In den Vorbereitungsklassen werden durch- schnittlich 15,4 Schüler unterrichtet. Aufgeschlüsselt nach Herkunftslän- dern kommen im Zeitraum seit 2003 die meisten Einwandererkinder aus Polen, der Türkei und der Russischen Födera- tion. Aus den Kriegsgebieten Irak/Iran erhöhen sich die Zahlen seit drei Jahren kontinuierlich, aus Afghanistan ist seit zwei Jahren ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen. Im Rahmen der EU-Erwei- terung sind seit fünf Jahren vermehrt Kinder aus Bulgarien und Mazedonien zugewandert. In diesem Jahr ist erst- malig eine auffallend große Gruppe aus Spanien dabei. Bemerkenswert ist auch der Trend, dass immer mehr gut ausge- bildete Familien aus Spanien und Polen nach Hamburg kommen. Somit erscheint die Zahl und die Zu- sammensetzung der Vorbereitungsklas- sen als Seismograph für militärische Krisengebiete und wirtschaftliche Re- zessionen in Europa und in der Welt.