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… insbesondere individualisiertes und kompetenzorientiertes Lernen

Hamburg macht Schule 4|2010 22 Thema Die Lerngruppe Seit der 5. Klasse unterrichte ich in der jetzigen Klasse H/R 8 das Fach Deutsch anderSchuleOsterbrook im Hamm-Süd. In der Klasse sind 27 Schülerinnen und Schüler, wovon 70 Prozent einen Migra- tionshintergrund haben. In diesen vier Jahren hatte ich oft das Gefühl, durch die Themen zu hetzen, frei nach dem Motto: »Wir haben doch keine Zeit«. Es fand kein Einlassen, kein echter ver- tiefter Umgang seitens der Schülerinnen und Schüler mit den Inhalten statt. Dies wollte ich im 2. Halbjahr des Schuljahres 2009/2010 ändern. Kompetenzorientierung und Themenwahl Zunächst stellte ich den Schülerinnen und Schüler vor, was sie am Ende des Halbjahres können sollten, differenziert nach Mindest-, Regel- und Expertenan- forderungen. Die Schüler sollten ein Thema wählen, bei dem sie glaubten, danach möglichst viel davon zu können. Anschließend entschieden sich die Schü- lerinnen und Schüler unter mehreren Lektüremöglichkeiten für »Romeo und Julia« und begründeten diese Auswahl mit Hilfe der vorher besprochenen An- forderungen: »Bei Romeo und Julia kön- nen wir bestimmt auch Inhaltsangaben schreiben.« »Ja, und Frau Hackbarth überlegt sich Aufgaben, wie immer, wenn wir Bücher lesen, dann lesen wir nicht nur, sondern verstehen auch den Text.« – »Und die können wir dann be- sprechen und benotetes Vorlesen kön- nen wir auch wieder machen.« – »Die Aufgaben und Inhaltsangaben können wir doch zu zweit machen, das ist dann einfacher.« Diese Themenfindung »kostete« drei Unterrichtsstunden. Viel Zeit? Nein, denn die Anforderungen waren für die Schülerinnen und Schüler transparent, sie wählten begründet das Thema aus, machten Vorschläge für den Unterricht und waren enorm motiviert, sich mit dem Unterrichtsgegenstand zu befassen. Ich selbst war sehr beeindruckt und hätte nie mit diesem Ergebnis gerechnet. Doch hatte ich auch Bedenken: »Romeo und Julia« in dieser H/R 8 in Hamm-Süd – geht das überhaupt? Aufgabenkultur Zunächst gab ich den Schülerinnen und Schüler Aufgaben, die auf ihren eigenen Vorschlägen basierten: »1. Du liest das Stück ›Romeo und Julia‹, 2. Ihr fertigt zu jedem Akt eine Inhaltsangabe an, 3. Ihr bearbeitet alle Aufgaben zu jedem Akt schriftlich, 4. Ihr sucht euch eine Passage (über die Länge entschieden die Schülerinnen und Schüler selbst) zum benoteten Vorlesen aus. Bei der Präsen- tation müsst ihr diese Passage in den Inhalt einbetten.« Für die Bearbeitung dieser Aufgaben habe ich die Schüle- rinnen und Schüler heterogen in Paare zusammengesetzt. Um eine intensive Beschäftigung mit dem Unterrichtsgegenstand sicherzu- stellen, sollte jede(r) ein »Werkstück« (Produkt) zu Romeo und Julia anfer- tigen. Sie sollten sich von dem Stück inspirieren lassen und eigene Fragen oder Vorhaben entwickeln, diesen nach- gehen, sie bearbeiten und präsentieren. Zu jedem Werkstück sollte es auch eine schriftliche Ausarbeitung geben. BeiderPlanungwurdemirsehrschnell bewusst, dass dieses Vorhaben länger dauern und den Rahmen einer »norma- len« Unterrichtseinheit sprengen wür- de. Ich setzte das gesamte 2. Halbjahr als Zeitrahmen fest. Den Schülerinnen und Schüler machte ich den Zeitrahmen und die Kriterien zur Leistungsbeurtei- lung transparent und erklärte ihnen das Vorhaben »Werkstück«. Arbeitsweise Der folgende Unterricht gestaltete sich folgendermaßen: Die Schülerinnen und Schüler bearbeiteten zu zweit die di- rekten Aufgaben zum Stück, bei Fragen unterstützten sich die Paare gegenseitig und forderten meine Hilfe erst in »ech- ten Notlagen« an. Ich hatte viel Zeit zum Beobachten, mich bei Schwierigkeiten den Schülerinnen und Schüler in Ruhe zuzuwenden und sie zu beraten. Viele Schülerinnen und Schüler arbeiteten auch zu Hause, obwohl es keine Haus- aufgaben gab, besprachen ihre Ergeb- nisse in der Schule, verglichen sie mit denen anderer Paare und überarbeite- ten ihr Geschriebenes. Es war eine sehr ruhige, entspannte und arbeitsame At- mosphäre. Gemeinsame Phasen gab es auch, dort wurde über die Aufgaben und vertiefend über das Stück gesprochen und das benotete Vorlesen fand statt. Alle Schülerinnen und Schüler haben im Verlauf des Halbjahres diese Aufgaben fertiggestellt. Parallel stellten die Schülerinnen und Schüler Überlegungen für ihr Werkstück an, welche wir dann im Klassenraum visualisierten. Nicht al- len Schülerinnen und Schüler fiel es leicht, sich ein Vorhaben oder eine Fra- ge zu überlegen. Diese Schülerinnen und Schüler baten mich um Hilfe und ich hatte Zeit, die Schülerinnen und Schüler zu beraten. Aber nicht nur ich beriet, sondern auch Mitschüler be- rieten sich untereinander – es fanden kleine Beraterrunden statt. Am Ende hatten alle Schülerinnen und Schüler eine Frage oder ein Vorhaben ausge- Lernen braucht Zeit … … insbesondere individualisiertes und kompetenzorientiertes Lernen Stadtteilschule »Romeo und Julia« in einer 8. Klasse in Hamm-Süd als Lektüre – geht das überhaupt? Der folgende Beitrag zeigt, dass es geht – wenn die Schü- lerinnen und Schüler genügend Zeit bekommen, um ihre eigenen Fragen zu finden und daran zu arbeiten.