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Was sich Bezirksamtsleiter und andere Beteiligte wünschen

15 Lernen und Zeit Einleitung Wolfgang Steiner, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Arbeitsbereich Demokratiepädagogik und Projektdidaktik. Felix-Dahn-Straße 3, 20357 Hamburg E-Mail: wolfgang.steiner@li-hamburg.de Fairness, Selbstwirksamkeit, Toleranz, Freundlichkeit als möglich und das En- gagement dafür als lohnend zu erfahren, das verträgt sich nicht mit Hetze und Dauerstress. Um individualisierend und kompe- tenzorientiert unterrichten zu können, brauchen Lehrkräfte vielleicht mehr denn je zivilgesellschaftliche Erwach- senentugenden wie Gelassenheit und Geduld. Das heißt in vielfacher Hinsicht: Sie brauchen Zeit für Beobachtung, dem Einzelnen angemessene Aufga- benentwicklung und Gespräch. Nur so können sich die »entgegenkommende(n) Verhältnisse« (Jürgen Habermas) einer Schule der Demokratie entwickeln. Noch eine zukunftsträchtige Erinnerung: Der Hamburger Erziehungswissenschaftler und langjährige Bürgerschaftsabgeord- nete Wolfgang Schulz hat die Einübung des »respektvollen Dialogs« als die zen- trale Aufgabe einer demokratischen Schule bezeichnet. Das bedeutet nicht zuletzt, den Primat der Formel eins-Mentalität aufzugeben zugunsten einer wachsenden Sensibili- tät für das der jeweiligen Situation an- gemessene Zeitmaß (vgl. Reheis 2003, S. 156ff.). Ein langsamer Walzer, Tango oder Blues hat da genauso seinen Platz wie ein schneller Samba oder ein atem- los vorgetragener Rap – aber eben alles zu seiner Zeit. Überhaupt liefert ein Blick in die Musik als Kunst der vertonten Zeit viele fruchtbare Anregungen und Analo- gien für das Problem des richtigen Zeit- maßes, der richtigen Geschwindigkeit und des richtigen Rhythmus: In Mozarts Werk finden sich nicht weniger als 23 (!) verschie- dene Tempobezeichnungen! (vgl. Geißler 2010, S. 39f). Die Beiträge dieses Heftes Vier der Erfahrungsberichte bzw. -refle- xionen dieses Heftes sind Beispiele für die Suche nach dem richtigen Zeitmaß in ganz verschiedenen Situationen schu- lischen Lernens: • Die Erfahrungen von Jugendlichen im »Nebenfach« Arbeitslehre sind offenbar besonders wertvoll für die Entwicklung von Qualitätsbewusst- sein und Zeitgefühl für Produktions- prozesse (S. 20f.) • Shakespeares Romeo und Julia kann zum »Renner« im Deutschunterricht der 8. Klasse einer Brennpunktschule werden – wenn genug Zeit dafür gege- ben wird (S. 22f.) • Welche Empfehlungen gibt es für den Umgang mit Zeit im Referendariat, einer Phase der Lehrerbildung mit ausgeprägtem Arbeitsstress und Zeit- druck? (S. 28f.) • Was empfehlen Ganztagsschulkoor- dinatoren für den Umgang mit der Ressource Zeit? (S. 26f.) Drei weitere Erfahrungsberichte zeigen, wie »Zeit« in der Schule explizit als Un- terrichtsgegenstand vorkommt: • Wie entsteht im Sachunterricht einer 3. Klasse die Grundlage für histo- risches Bewusstsein? (S. 16f.) • Wie wird das »Handlungsfeld Zeit« des Rahmenplans für das Schulfach Theater im Unterricht umgesetzt? (S. 24f.) • Was geschieht, wenn sich eine Schule zwei Projekttage Zeit für das Thema »Zeit« nimmt? (S. 18f.) Und last but not least: • Der Zeitforscher Prof. Dr. Karlheinz A. Geißler unterscheidet in seinem Beitrag zum wissenschaftlichen Hintergrund drei verschiedene Eigenzeiten, von deren Zusam- menspiel das Gelingen schu- lischen Lernens abhängt: Die individuellen Eigen- zeiten der Lernenden (und Lehrenden), die durch die Organisation des Systems Schule vorgegebenen und schließlich die des Lernstoffs bzw. der Unterrichtsgegenstände (S. 30f.). Sein letztes Büchlein »Lob der Pause – Warum unproduktive Zeiten ein Gewinn sind« sei besonders den Gestressten unter den Leserinnen und Lesern aus- drücklich empfohlen. Es wird Sie kaum Zeit kosten und Ihren Mut zur »Enthet- zung« im (Schul-)Alltag stärken. Vielleicht warten Sie nicht bis zum nächsten Urlaub, sondern fangen gleich damit an. Mit einer kleinen Entschleu- nigung, die zu Ihrer Situation und zu Ihrem beruflichen Alltag passt. Eine wachsende Zahl solcher persönlichen Entscheidungen wäre nicht mehr und nicht weniger als der subjektive Beginn einer »sanften« Revolution unseres Um- gangs mit Zeit! Der Qualität der Hamburger Schul- reform, Ihnen selbst und vor allem den Kindern und Jugendlichen würde das gut tun. Literatur Elias, Norbert (1988): Über die Zeit. Ar- beiten zur Wissenssoziologie II. Frank- furt/M. Geißler, Karlheinz A. (2008): Zeit – ver- weile doch –. Freiburg Geißler, Karlheinz A. (2010): Lob der Pause. München Reheis, Fritz (2003): Entschleunigung. München Reheis, Fritz (2010): Bildung contra Tur- boschule! Freiburg Spiegel-Wissen (2010): Mehr Zeit. In: Spiegel-Wissen H. 4/2010. Hamburg Weitere Literatur und eine Reihe von Downloads, u.a. ein Glossar der wich- tigsten zeitpolitischen Begriffe unter: www.zeitpolitik.deverschie »Zeit« nimmt? (S. 18 Und last but not least: • Der Zeitforscher A. Geißler Beitrag zum wissenschaftlichen Hintergrund drei verschiedene Hamburg macht Schule 4|2010