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Was sich Bezirksamtsleiter und andere Beteiligte wünschen

Hamburg macht Schule 4|2010 13 Schulform Lernen und Zeit Einleitung Vier bildungsrelevante Aspekte aktueller Zeitpolitik 1.Der volkswirtschaftliche Aspekt: Schulzeitverkürzung Begründung: Es dauere zu lange, bis die jungen Menschen dem Arbeits- markt zur Verfügung stehen. Die Schulzeit müsse verkürzt und die Stu- diengänge müssten gestrafft werden. Abitur nach zwölf statt nach 13 Jah- ren an den Gymnasien und die Ein- führung von Bachelor und Master an den Universitäten sind die aktuellen, durchaus umstrittenen Folgen. Diese Argumentation kommt vor allem aus der Wirtschaft und hat die inter- nationale Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen im Blick. Das Verhältnis von Lernen und Zeit wird hier in erster Linie als Ressource und Kostenfaktor für die Vorbereitung auf den Arbeits- markt gesehen. 2.Der betriebswirtschaftliche Aspekt: Lehrerarbeitszeitmodell Die Lehrerarbeitszeit wird inzwischen differenziert erfasst und je nach Tätig- keitsaspekt faktorisiert. Begründung: Sie werde durch die Ausrichtung an einer Jahresarbeitszeit von 1770 Stunden (für Beamte mit voller Stel- le) mit der Arbeitszeit anderer Berufe im öffentlichen Dienst vergleichbarer und in ihren Einzelaspekten transpa- renter. Ob mit der besseren Berechenbarkeit die Qualität der Lehrerarbeit zuge- nommen hat, ist höchst umstritten. Diese Argumentation findet ihre stärksten Verfechter in der Bildungs- administration und will im öffent- lichen Haushalt Kosten sparen. Das Verhältnis von Lernen und Zeit wird hier vorwiegend unter dem Blickwin- kel des Zeitmanagements betrachtet. 3.Der sozialpolitische Aspekt: Ganztagsschule Begründung: Die täglich in der Schule verbrachte Zeit sei mit einem halben Tag zu kurz, um die Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu bewältigen, die die Schule als Sozialisationsinstanz in- zwischen übernehmen muss, da viele Familien und Alleinerziehende – ins- besondere in sozialen Brennpunkten – damit überfordert seien. Die zunehmende Einrichtung von Ganztagsschulen ist seit einigen Jah- ren die Antwort darauf, mit vielfältigen Fragen der konkreten Umsetzung in der Praxis, darunter nicht zuletzt die Frage der zeitlichen Gestaltung. Diese Argumentation wird vor allem von Sozialpolitikern vorgetragen und will eine Antwort auf den gesellschaft- lichen Wandel geben, besonders im Bereich von Familie und Integration. Das Verhältnis von Lernen und Zeit wird hier als zentrales Gestaltungs- element für die Verbesserung des Zusammenlebens in der Gesellschaft betrachtet. 4.Der pädagogische Aspekt: Entschleunigung Die Schattenseiten des durchgehenden Trends zur Beschleunigung fast aller Lebensbereiche unserer Gesellschaft treten immer deutlicher hervor – zu- letzt und unübersehbar in der globa- len Finanzkrise (vgl. Geißler 2010, S. 19). Die Balance zwischen sorg- fältigem Planen, zügigem Umsetzen, kritischem Nachdenken und gegebe- nenfalls Nach- oder Umsteuern ist in vielen Lebensbereichen gestört. Das Lernen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat den Cha- rakter eines lebendigen Wachstums- prozesses, der hochindividualisiert abläuft und statt des einförmigen »Schneller-höher-weiter-mehr« ver- schiedene Geschwindigkeiten, Phasen der Verlangsamung, Pausen und Pha- sen der Beschleunigung braucht und hervorbringt. Schule und Unterricht sind vor allem Orte der Weitergabe von wissen- schaftlich geprüftem Wissen und aufgeklärter Tradition, zentrale Er- fahrungsräume für Identitätsfindung und gesellschaftliche Orientierung. Sie bieten Gelegenheit zum Fragen, zum Üben und Wiederholen, sie brauchen Zeiten der Ruhe, des Staunens, des ge- nauen, gründlichen Beobachtens und Auf der Suche nach dem richtigen Zeitmaß Bildung zwischen Hochgeschwindigkeitsdruck und Entschleunigungsbedarf Der Eindruck, dass mit den Zeitmaßen der Bildungsinstitutionen etwas nicht stimmt, ist inzwischen weit verbreitet. Woher stammt dieses überall spürbare Unbehagen? Eine der Ursachen liegt sicher in unserem Umgang mit Zeit. Diese Einleitung unternimmt einen Versuch, den gesellschaft­ lichen und bildungspolitischen Rahmen zu reflektieren, in dem sich das aktuelle Verhältnis von Lernen und Zeit bewegt.